"Hocherfreut", meinte Maenavry überzogen und nahm Muirgeahl an der Hand. "Vielleicht sollten wir reingehen", meinte er an beide gewandt und ging voraus, hielt der Marketenderin die Tür auf und wartete bis auch Alastar vorbei gegangen war.

"Willst du was trinken?", fragte Maenavry Muirgeahl und lehnte sein Kinn an ihren Kopf. Er folgte ihrem Blick und entdeckte Ro, dann ging er um sie herum und sah ihr in die Augen. Er lächelte. "So hab ich dich noch nicht gesehen", meinte er. "Ärgert dich was?"

"Kommt sofort", meinte Maenavry und entschwand zum Tresen, bestellte den Punsch und sich einen Glühwein. Dann ging er zurück zu Muirgeahl, reichte ihr den Punsch und sie setzten sich mit den anderen an einen Tisch. Growndrill trank Bier und beobachtete Ro mit Argusaugen. Er wollte eine Schlägerei möglichst vermeiden.

Alastar wollte gerade eben auch etwas von dem Zeug, das Ro trank, bestellen, als eine Krähe durch eines der offenen Fenster hinein flog. Ein Bierjunge stiess einen erschrockenen Schrei aus und liess die Krüge fallen, die er trug. Der Vogel drehte eine Runde unter der Decke und landete dann auf dem Tresen vor Alastar. Der junge Dunkelschatten war stocksteif geworden. Sein verbliebenes Auge war weit aufgerissen und starrte unverwandt auf das kleine Bündel, das der Krähe auf den Rücken gebunden war. Der Vogel stiess ein missgelauntes Krächzen aus und hackte Alastar in die Hand. Der scharfe Schmerz brachte ihn wieder zu verstand. Mit zitternden Fingern löste er die Schnüre und nahm das kleine Bündel in die Hand. Verwesungsgeruch stieg ihm in die Nase. Mit einem Mal wurde ihm speiübel und seine Knie fühlten sich butterweich an. Er schnappte sich das nächstbeste Glas, ignorierte die empörten Proteste des Besitzers und stürzte das Gebräu in einem Zug runter. Es half. Seine Knie hörten auf zu zittern und er war wieder in der Lage das Bündel weiter auszupacken. Es bestand aus einem gewachsten Leinenbeutel, der einen in Leder eingewickelten Gegenstand erhielt und eine kleine Pergamentrolle enthielt. Alastar beachtete das Pergament nicht, sondern griff direkt nach dem Lederbündel. Er enthielt den verwesenden Finger des alten Dunkelschattens. In einem Schreckenstarren Moment starrte der junge Dunkelschatten einfach auf den Finger. Der Siegelring seines Clans steckte auf dem letzten Glied. Die Krähe war näher gehüpft, flatterte auf und schnappte sich plötzlich den Finger. Weit kam sie nicht. Mit der Linken schnappte Alastar sich den Vogel und mit der Rechten fing er den Finger auf, den die Krähe fallen liess. Er spürte wie die dünnen Vogelknochen in seiner Faust splitterten und schmetterte die die Linke mit brachialer Wucht auf den Tresen. Warm lief das Blut der Krähe über seine Hand. Er öffnete die Hand und was auf dem Tresen liegen blieb konnte man nur anhand der Federn als Vogel identifizieren.
Mit einer fast zärtlichen Bewegung streifte er den Siegelring vom Finger des alten Dunkelschattens. Den Finger wickelte er wieder in das Lederstück und schob ihn sich in die Tasche. Ohne einen Blick wandte er sich vom Wirt ab, der ihn anbrüllte, er solle gefälligst die Schweinerei wegmachen, die er angerichtet hatte. Mit langen Schritten stiefelte er auf den Ausgang zu. Die Pergamentrolle liess er auf dem Tresen zurück. Er wusste was drin stand. Das Wappen seines Clans im Blut vom alten Dunkelschatten gezeichnet und darunter die Rune, die für Tod und Ende stand. Sie hatten den alten Dunkelschatten also doch noch ermordet.

Mit aufgerissenem Mund stand Maenavry etwas weiter neben Alastar's Platz am Tresen. Als der Vogel hereingeflogen kam, war er aufgestanden und hatte sich still und leise einen Platz gesucht, aus dem er beobachten konnte, was der Vogel dem Dunkelschatten brachte. Er schloss den Mund und huschte zu Growndrill an den Tisch hinüber mit einem letzten Blick auf den Rabenkadaver. Wie unfreundlich.
Der Schatten setzte sich dem Drachen gegenüber, lehnte sich an verschränkten Armen vor und blickte ihm in die silbernen Augen. "Zeig mir was du sahst", forderte Growndrills tiefe Stimme mit unbewegter Miene fort. Maenavry zeigte ihm die noch frische Erinnerung auf die gleiche Art und Weise, wie er Muirgeahl und Meyra Ravi gezeigt hatte. Als die Erinnerung vorbei war, blickten sich die beiden Männer kurz an, dann wandte sich Growndrill an Machek. "Kennst du die Clans der Dunkelschatten?", fragte er ihn. Maenavry setzte sich wieder neben Muirgeahl und legte lässig seinen Arm um sie, wobei er sich in seinem Stuhl leicht zurücklehnte, um mehr Platz für seine Beine zu haben.

Als Machek den Kopf schüttelte stand Growndrill wortlos auf und warf einen Blick auf Maenavry, der ihn aufmerksam beobachtete, bevor er die Schenke verliess. Er hörte Ros Frage durch das Holz der Tür hindurch und zögerte, dennoch ging er hinaus, lief an den beiden vorbei und setzte sich ausser Sichtweite auf eine niedere Mauer. Er konnte sie noch hören und lauschte gespannt auf Ros Fragen und Antworten, versuchte daraus die Information zu erhaschen, die er suchte.

Mit zitternden Händen kramte Alastar seine Wachstafel hervor und begann zu schreiben. Einmal fiel ihm fast der Griffel runter, doch er konnte ihn im letzten Moment auffangen. "Der letzte meines Clans ist umgebracht worden. Sie haben mir seinen Finger mit dem Siegelring geschickt." Er reichte ihr die Tafel und hob den halbverwesten Finger in Höhe. Man konnte deutlich sehen wo der Schnabel der Krähe sich in das verweste Fleisch gebohrt hatte.