"Gerne", meinte Meleth strahlend. "Ich hab jetzt sogar wieder eine Waffe."
Sie klopfte auf das lange Messer, das ihr am Gürtel steckte. Sie hatte es... nun, der Pirat, der vom Monster aufgeschlitzt worden war konnte es eh nicht mehr brauchen, und schliesslich hatte sie ihn über Bord geschmissen und die Sauerei aufgeputzt, die sein Blut hinterlassen hatte.

Meleth folgte Reina auf dem Fuss, während sie in das Dorf schritt und zwischen den Häusern hindurch zum Platz vor dem grössten der Häuser, wo bereits gefeiert wurde. Die Barbaren luden die Piraten quasi ein und sie schienen ein recht fröhliches Volk zu sein, auch wenn sie eine unmögliche Sprache sprachen. Es gab Essen in Massen und reichlich Bier und Meleth sagte weder zum einen noch zum anderen nein, und so war sie nach kurzer Zeit völlig vollgefressen und ordentlich beschwipst.

Meleth war sturzbetrunken, aber nicht ganz so sturzbetrunken wie diejenigen, die bereits irgendwo an einer Wand oder unter einem Tisch lagen und schnarchten. Die Musiker, die irgendwann ihre Instrumente hervorgeholt hatten, spielten immer noch, und sie merkte nicht wirklich, dass die Melodie völlig schief war. Sie lachte über die Leute, die tanzten und sich dabei die ganze Zeit gegenseitig anrempelten und über die Füsse stolperten. Dann ergriff plötzlich eine Hand die ihre und zog sie von der Bank weg zwischen die anderen Tanzenden...
Geraume Zeit später, sie wusste selbst nicht mehr so genau, was dazwischen passiert und wie sie dahin gekommen war, stand sie mit dem Rücken zu einer Wand und knutschte mit einer Barbarin, die vielleicht ein, zwei Jahre jünger als sie selbst war, herum. Sie war so vernebelt, dass ihr nicht aufging, was an der Situation falsch war. Die Musik spielte immer noch, irgendwo hinter dem Hausecken. Das Mädchen liess ihre Hände unter ihr Hemd gleiten, strich über ihre Haut hinauf, tasteten weiter und stockten plötzlich. "Du nicht Mann", sagte sie verdutzt und mit einem starken Akzent. "Du Frau." Dann begann sie zu lachen. "Ich Bruder", meinte sie und zog Meleth an der Hand mit zwischen den Häusern davon.

Irgendwo auf der anderen Seite des Dorfes hielt das Mädchen an und klopfte wild gegen eine Türe, bis ein junger Mann herauskam. Sie zog ihn mit sich hinüber zu Meleth, die sie auf der anderen Strassenseite stehen gelassen hatte und quatschte dabei unterbruchslos auf ihn ein, wovon Meleth kein Wort verschwand. Dann grinste sie Meleth ebenfalls an, sagte noch etwas und verschwand dann einfach.
Meleth stand wankend da und sah den Typen vor ihr an. "Hey", meinte sie und kippte beinahe vornüber.
Er sagte irgendetwas auf Barbarisch zu ihr.
"Ich versteh kein Wort", sagte sie.
Wieder quasselte er etwas, aber sie hob nur die Schultern und grinste ratlos.
Er drehte sich um und ging wieder zurück in Richtung der Hütte. Ihr fiel ein, dass sie keine Ahnung hatte, wo sie war, und sie stolperte ihm wieder hinterher. "Hey. Ich weiss nich, wie ich zun annern komm."
Er drehte sich um und hatte sie offenbar falsch verstanden, denn er deutete auf sich und sagte. "Kalirk."
"Schön, aber wohin gehts lang?", fragte sie und taumelte.
Er schien angestrengt nachzudenken. "Du wollen?", brachte er schliesslich heraus.
"Was? Ja, ich will wissn wie ich su..."
Weiter kam sie nicht, denn er zog sie einfach zu sich her und küsste sie auf den Mund.
Im ersten Moment wollte sie protestieren, aber bevor sie wirklich dazu kam, stellte sie fest, dass es sich eigentlich gar nicht so scheisse anfühlte. Eigentlich sogar ziemlich gut. Sie schloss die Augen und erwiderte den Kuss, tastete nach seiner Zunge und spürte seine Hände auf ihrem Rücken.
Irgendwo in ihrem Kopf bemerkte etwas, das die Situation verdammt absurd war, aber irgendwie war es ihr egal. Sie schlang die Arme um den Körper des Barbaren und spürte seine Muskeln, tastete instinktiv unter die Weste, die er trug. Ihre Küsse wurden wilder, seine Hände glitten unter ihre Kleider und zu ihren Brüsten, dann hob er sie einfach hoch.

"Brauchst du Hilfe?", fragte der Klabauter Reina mit einem halben Lächeln und streckte ihr die freie Hand hin. In der anderen hielt er eine zu dreivierteln leere Flasche Rum.

Als Meleth erwachte, lag sie in einem Bett. Es war warm und kuschelig, denn über ihr war eine Wolldecke und unter ihr mindestens ein Fell. Ihr wurde bewusst, dass sie, um das so deutlich zu spüren, nackt sein musste. Sie gab ihrem Erinnerungsvermögen einen kleinen Anstoss und es funktionierte erstaunlich gut, daran gemessen, wie betrunken sie gewesen sein musste. Unwillkürlich fragte sie sich, wie sie in das Bett gekommen war. Denn als sie es... naja, als der verdammt muskulöse junge Barbar sie... da waren sie auf jeden Fall nicht in einem Bett gewesen.
Sie öffnete die Augen, sah eine hölzerne Wand und Lanzen von Sonnenlicht, die darauf schienen. Es dauerte einige Augenblicke, bis Panik sie durchschoss. Verdammt! Was, wenn der Klabauter bereits im Morgengrauen abgefahren hatte, und sie alles verschlafen hatte?!
Hektisch fuhr sie auf, drehte sich um - und blickte in das Gesicht einer Frau.
"Isni Amlek", sagte die Frau mit freundlicher Stimme und hielt ihr eine Tasse hin.
Meleth's Blick glitt von ihr in den Raum dahinter und stellte fest, dass da etwa ein halbes Dutzend Leute sass und sie alle ansahen. Ihr wurde bewusst, dass sie immer noch nackt war, und sie riss hastig die Wolldecke an sich, um sich zumindest zu bedecken. Wo war sie hier? Wer waren die Leute?
Auf den zweiten Blick erkannte sie im einen, der am Feuer sass, denn jungen Mann, mit dem sie... "Isni Amlek", sagte auch er und lächelte. Neben ihm sass seine Schwester und winkte Meleth fröhlich zu. Mit einem weiteren Blick erfasste sie drei kleinere Kinder, einen Mann, und zwei weitere Frauen, von denen eine grauhaarig und richtig verhutzelt war. Sie lächelten sie alle freundlich an. Meleth wurde bewusst, dass sie eine Familie vor sich hatte.
Ihr Blick glitt zurück zu der Frau, die vor ihr stand und ihr auffordernd die Tasse entgegen hielt. Dem Alter nach konnte sie die Mutter des Mädchens und ihres Bruders sein. Sie zwang sich ein leicht verwirrtes Lächeln auf die Lippen und nahm die Tasse entgegen. "Danke."
Die Frau bedeutete ihr zu trinken und Meleth kam der Aufforderung hastig nach, wobei sie sich fast die Lippen verbrannte. "Ist das Schiff noch da?", fragte sie nach einem Schluck, und als die Frau sie nur verständnislos lächelnd ansah: "Schiff?"
Sie versuchte es mit den Händen darzustellen, griff aber rasch wieder nach der Decke, die ihr heruntergerutscht war und versuchte möglichst fragend dreinzusehen.
Das Mädchen lachte. "Ja", sagte sie. "Schiff hier. Pirat viel Rum." Sie deutete an, wie ein Besoffener da lag, mit dem Kopf zur Seite gekippt und die Zunge zum Mund heraushängend und es sah so komisch aus, dass Meleth nicht anders konnte, als zu lachen.