"Das klingt mir eher nach einem Segen, als nach einem Fluch.", erwiderte Arndir. Das Misstrauen war noch immer nicht aus seiner Stimme gewichen. "Warum sollte sie mich überhaupt mit so einem Zauber belegen?"

"Das weiss ich nicht... Und du kannst dich weder an sie, noch an die Zeit vor der Folter erinnern", meinte Narum schulterzuckend. "Ich habe Naja lange nicht mehr gesehen und weiss auch nicht, wo sue sich momentan aufhält."

Ohne Anzuklopfen stürmte Idril in Narums Haus und in das Zimmer von Arndir. Sie hatte grossartige Neuigkeiten für ihn. "Arndir! Janis, die Priesterin aus Lovit, ist endlich hier angekommen und sie...." Sie brach ab und machte grosse Augen. "Armelion?", fragte sie unsicher, dann hellte sich ihr Gesicht wieder auf und sie schlang die Arme um den verdutzten Elfen. "Ich wusste du würdest wieder hierher kommen. Schliesslich hast du es mir ja versprochen." Sie lachte übermütig.
"Ich kenne keinen Armelion.", sagte Arndir. "Ich kann nicht der sein, für den ihr mich haltet." Sanft löste er sich von dem Kind und hielt sie auf Armeslänge von sich weg. Seinem Gesicht sah man keine Regung an, doch in seinem Inneren tobte ein Sturm. Woher kannten sie ihn nur? Was wollten sie von ihm und wie zur Hölle sollte er mit diesem verwirrenden Gefühl der Vertrautheit, das er gegenüber diesem Kind empfand, umgehen?
Zutiefst verletzt, dass er sie einfach so zurückwies, zog sich Idril zurück. "Du musst mich doch erkennen! Du hast mir meinen Fuss wiedergegeben.", sagte sie leise.
"Ich kenn dich erst seit vier Wochen, Idril. Wie kann ich dir da deinen Fuss wiedergegeben haben?"
Idrils Augen funkelten vor unvergossenen Tränen und sie wandte sich ab. Er hatte sie vergessen. Das tat fast mehr weh als Biredhs Tod. Er hatte sie einfach vergessen und machte nicht einmal einen Versuch sich an sie zu erinnern. "Du hast das vor mehr als einem Jahr getan.", erwidere sie erstickt.
"Das ist unmöglich. Vor einem Jahr war ich noch immer am Altar festgebunden."
"Das stimmt nicht!", begehrte das Mädchen mit erstickter Stimme auf. "Du lügst! Wie kannst du es einfach so vergessen?"
Arndir fühlte sie zusehends mit der Situation überfordert. Er warf einen hilfesuchenden Blick zu Narum. Er sollte das Mädchen rausnehmen. Er brauchte eine Weile um sich zu sammeln. Sie konnten nicht einfach zu ihm kommen und Dinge behaupten, die er gar nie getan hatte.

"Idril", meinte Narum sanft, aber bestimmt. "Komm her, Kleines." Er nahm sie in die Arme und trug sie nach draussen.
In der Küche setzte er sie auf einen Stuhl und gab ihr einen Keks, bevor er ihr gegenüber Platz nahm.
"Er hat sein Gedächtnis verloren", erklärte er. "Man hat ihn sehr lange Zeit gefangen gehalten und ihm wehgetan... Er hat dich nicht mit Absicht vergessen und wenn, dann um dich vor den bösen Leuten zu schützen. Zeig also etwas Verständnis für ihn. Mit der Zeit wird er sich sicher wieder erinnern. Aber lass ihm die Möglichkeit dazu... Wo hast du Janis gelassen?"

Sie schniefte und wischte sich über die Augen. "Sie ist draussen mit Ragnar. Sie mögen sich und ich sagte ihr, ich wollte Arndir von ihr erzählen. Sie war damit einverstanden." Idril knabberte ein wenig an ihrem Keks und blickte dann wieder zu Narum. "Wie kann man einfach sein Leben vergessen, sogar seinen Namen? Kann man ihm die Erinnerungen nicht zurückgeben?"

"Er muss sie selber zurückholen...weisst du... man hat ihm sehr böse Dinge angetan", erklärte Narum, "Du solltest nicht zu streng mit ihm sein... Ich gehe nochmals zu ihm. Wir sollten ihm dann aber etwas Ruhe gönnen", meinte er, erhob sich und strich Idril die Tränen von den Wangen, bevor er ihren Scheitel küsste, sie hoch hob und nach draussen trug zu Janis und Ragnar.
"Kannst du Idril zum Bäcker begleiten? Wir brauchen Brot und Gebäck... vielleicht noch etwas Milch", bat er Ragnar. "Ich muss nochmals zu Arndir... Janis, kannst du kurz rein kommen?" Er gab Idril und einen Beutel Münzen an Ragnar weiter, dann hielt er Janis die Tür auf.
Da er darauf bestand trat sie ein und bevor sie eine Frage stellen konnte, schloss er die Tür, bat sie sich zu setzen, bit ihr Tee an und setzte Wasser auf.
Währendem er den Topf dafür auf den Herd stellte begann er zu erklären. Er fasste Arndir auftauchen zusammen, wie sie ihn vorgefunden hatten und dass der Elf sich nicht daran erinnerte, wer er war. Er sagte ihr alles, bis auf seine Vermutung, dass es sich eigentlich um Armelion handelte. Er erwähnte, dass sie den Mann wahrscheinlich kannte, sagte aber nicht woher und bevor sie fragen konnte, war der Tee fertig. Er schenkte für drei ein, gab Janis einen Becher und ging mit den anderen zwei zur Tür des Verletzten. Er bat Janis mitzukommen und sie öffnete die Tür, liess ihn zuerst rein und warf erst einen Blick auf den Patienten als sie die Tür schloss. Sie hörte, wie Narum sie kurz vorstellte und sagte, dass sie ihnen beim Tee gesellschaft leisten und Narum assistieren würde, da er anschliessend die anderen Narben heilen lassen würde.

Sie war zuerst erstaunt, als sie den Elfen wiedererkannte, doch sie hatte sich schnell wieder im Griff. Das Schlimmste was sie jetzt tun konnte, war so mit ihm umzugehen, als ob sie sich schon lange kannten. Arndir lauschte höflich Narums Ausführungen und hielt dann still als der Magier die Zauber vorbereitete, mit welchen er die restlichen Narben heilen würde.
Janis nahm noch einen raschen Schluck von ihrem Tee und wartete auf Narums Anweisungen.

Sie musste nicht viel tun, nur ab und an helfen einen Verband abzunehmen, die verheilten Stellen einzusalben und, nachdem sich Narum um Arndirs Vorderseite gekümmert hatte, helfen, den Elfen zu kehren und ihn in einer stabilen Position zu halten.
Da man ihn während der Folter auf ein Brett oder ähnliches gespannt hatte, war Arndirs Rücken fast heil geblieben. Von den Zerrungen mal abgesehen und der geschundenen Wirbelsäule. Narum wirkte den Heilzauber erneut und war dann zufrieden mit seiner Arbeit. Er setzte sich entkräftet hin und seufzte, froh die Anstrengung hinter sich und die Arbeit gut erledigt zu haben.
"Morgen kümmern wir uns um den Rest", meinte er, "Ich zeige Janis noch, wo ihre Räume sind, dann essen wir alle zusammen, wenn ihr mögt", schlug er an beide gewandt vor.

"Klingt gut.", erwiderte Arndir müde und Janis nickte ebenfalls zustimmend.

Idril trottete hinter Ragnar her und blickte auf den Boden. Sie konnte es noch immer nicht fassen, dass er sie vergessen hatte. Narum hatte versucht es ihr zu erklären, doch sie verstand es nicht. Wie konnte so etwas nur möglich sein? Sie prallte gegen Ragnar, als dieser kurz bei einem Stand anhielt um mit dem Verkäufer zu reden. Er ermahnte sie zerstreut nicht herumzuwandern, bevor er weiterfeilschte. Grummelnd rieb sie sich Nase, umrundete den Schmied und ging weiter. Sie musste Armelion irgendwie dazu bringen sich wieder an sie zu erinnern.
Ohne darauf zu achten wohin ihre Füsse sie trugen, fand sie sich auf einmal in der Wassergilde wieder. Sie blickte zurück, doch Ragnar war nirgends zu sehen. Sie zuckte gleichmütig mit den Schultern. Das konnte ihr eigentlich egal sein. Wahrscheinlich würde er sie auch bald vergessen. Sie ging in den Gebetssaal und die Statue von Inara und Perun schien sie wieder spöttisch anzublicken. Idril streckte ihr die Zunge raus und setzte sich auf den Boden mit dem Rücken an eine Säule gelehnt. Sie mochte diesen Ort, wenn nur diese blöde Statue nicht wäre. Das Kinn stützte sie auf die Knie und schloss die Augen. Irgendetwas musste ihr doch einfallen.

Narum hielt Janis die Tür auf. Als sie in der Küche, die gleichzeitig auch das Esszimmer war, standen, schloss er die Tür wieder hinter sich. "Leider ist hier bei mir nur wenig Platz", meinte er entschuldigend. "Du darfst dich hier natürlich, wie Zuhause fühlen, aber ich habe mir erlaubt dich im Nachbarhaus unterzubringen... Es wohnen momentan noch drei Heiler darin, aber sie sind nette Leute und du hast sicherlich ein Zimmer und Bad im ersten Stock für dich", erklärte er. "Ich helfe dir mit deinem Gepäck", schlug er vor und tat dies auch.
Das Nebenhaus war wirklich grösser, als Narums, war aber nur durch den kleinen Garten davon getrennt. Es bessas ein üppiges Parterre auf dem sich vier Zimmer, ein Bad und die Küche befanden, im Obergeschoss waren es fünf Zimmer und ebenfalls ein Bad. Es besass sogar Keller und Dachboden.
Die Heiler hiessen Janis willkommen und stellten sich kurz vor, halfen Narum die Sachen die Treppe hinauf zu tragen und zeigten ihr das Haus, währendem sich der alte Magier zurück auf sein Anwesen machte, um für seine beiden Gäste, Ragnar und Idril zu kochen.
Er holte aus dem Vorratsraum im Keller Fleisch, machte viel Gemüseeintopf, er musste darauf achten, dass Arndir essen konnte, auch wenn Ragnar sich über das wenige Fleisch beschweren würde, das er in den Topf dazugab, nachdem er es kurz angebraten hatte.