"Ich werde euch verlassen, sobald es meine Gesundheit erlaubt.", sagte eine Stimme von der Türe aus. "Die Erinnerungen, die angeblich besitzen soll, kann ich genauso gut irgendwo anders finden."

Narum wandte sich um. "Eure Gesundheit wird es euch noch eine Weile nicht erlauben", meinte er freundlich aber mit der Bestimmtheit eines Arztes. "Die Wunden mögen zwar bald heilen und die Erinnerungen von sich aus zurück kommen, aber ihr müsst wieder eure Kräfte aufbauen, bevor ihr gehen könnt... Ich will euch nicht hier fest halten, aber es wäre besser, wenn ihr noch eine Weile bleibt... Und wie ich sehe, könnt ihr schon stehen. Kommt, setzt euch zu uns", lud er Arndir ein und stand auf, um dem Elfen gegebenenfalls zu helfen.

Seine Gelenke schmerzten zwar, doch er ignorierte jede hilfreiche Hand. Schwer liess er sich auf einen Stuhl nieder und trank anschliessend einen Schluck Wasser. "Wo ist Idril?"
"Auf ihrem Zimmer. Sie schmollt.", erklärte Janis und begann das Essen auszuteilen. Arndir betrachtete sie gedankenverloren. Nichts an ihr war ihm bekannt, doch dennoch schien sie ihm irgendwie vertraut. Er verscheuchte den Gedanken. Er kannte sie nicht und damit Schluss. Es brachte nichts wenn er grübelte. Schweigend ass er fertig, während die anderen sich über dies und jenes unterhielten.
Gegen Ende des Abends gesellte sich das Mädchen zu ihnen. Sie war still und starrte verdrossen auf das Essen, dass sie wortlos in sich hineinschaufelte und dann wieder auf ihr Zimmer verschwand. Sie schien wirklich sauer zu sein.
"Wann werdet ihr meine Hand heilen können?", fragte Arndir schliesslich und hob den linken Arm hoch um den Stumpf zu betrachten, der zurückgeblieben war.

"Heute noch, wenn ihr wollt. Ansonsten morgen... Ich werde nicht alles auf einmal nachwachsen lassen können... Es erfordert viel Energie", antwortete Narum. "Es wird also einige Assistenten erfordern."

"Dann Morgen. Ihr habt heute schon genug für mich getan.", sagte Arndir ruhig. "Ich konnte meine Hand schon seit so langer Zeit nicht benutzen, da kommt es auf einen Tag mehr oder weniger nicht an."

Narum lächelte sanft. "Sobald eure Wunden geheilt sind, werden wir euch mit Donsoha vertraut machen. Ihr könnt hier bleiben, so lange es euch beliebt, auch als mein Gast."

Am nächsten Morgen

Arndir sass still und betrachtete wie seine Hand Zelle für Zelle nachwuchs. Narum war geschickt, er schirmte ihn sogar so gut es ging vom Schmerz ab. Als der alte Magier fertig war, beugte Arndir probehalber mal die Finger. Es war komisch. Er griff nach seinem Schwert und umfasste den Griff mit beiden Händen. Das war richtig. Es fühlte sich gut an. Er fühlte die Kraft in seiner neuen Hand und war zufrieden. Er liess den Schwertgriff los und blickte Narum wieder an. "Danke.", sagte er schlicht. "Ich stehe in eurer Schuld." Er schluckte und blickte dann auf seine linke Hand runter und ballte sie zur Faust. "Ich werde euch verlassen.", murmelte er schliesslich leise fast verschämt. "Ich kann nicht der sein, für den ihr mich haltet und das alle mich zu kennen scheinen treibt mich schier in den Wahnsinn."

Narum nickte langsam. "Ich kann euch anbieten in einem nahen Dorf, bei einem Freund von mir zu wohnen. Keine Angst, er kennt euch sicher nicht und wird auch nicht glauben euch zu kennen. Die Dorfbewohner genauso wenig... Sein Name ist Erik und er braucht Hilfe bei der Ernte. Euch würden die Arbeit und frische Luft gut tun. Ausserdem solltet ihr nicht zu sehr eure Hand belasten, in den nächsten Tagen", er seufzte. "Aber, Arndir, ich muss euch noch etwas sagen, eure Verletzungen betreffend..."

"Was?", fragte er nach, als der alte Mann verstummte.

"Ihr habt gesagt, ihr wärt jahrelang gefoltert worden", begann er und wusste nicht genau, wie er es dem jungen Mann erklären sollte. Schlussendlich beschloss er nicht um den heissen Brei herum zu reden. "Ich konnte keine Spuren alter Verletzungen finden. Alle, die ihr hattet waren relativ frisch, die einen etwas älter, als die anderen. Aber es gab nicht genug Narbengewebe, welches immer und immer wieder aufgebrochen und dann wieder verheilt und vernarbt wäre, um diese Aussage zu bestätigen... Die ältesten Wunden sahen aus, als wären sie nur ein paar Tage, maximal einige Wochen alt. Das liess mich zum Schluss kommen, dass es dafür zwei Erklärungen geben könnte und keine der beiden ist wahrscheinlicher, als die andere. Die erste wäre, dass ihr immer und immer wieder aufs neue geheilt wurdet. Von einem Magier, der sein Handwerk besser beherrscht, als ich es tue. Die zweite wäre, dass ihr nicht so lange euren Folterknechten ausgeliefert wart... Vielleicht liess man es euch durch einen Zauber glauben, vielleicht kam es euch aber durch all den Schmerz, den man euch zugefügt hatte, nur so vor."