"Flagge hissen!", befahl der Kapitän.
Die Sonne war noch nicht wieder aufgegangen, aber es war bereits hell genug, dass er die dunkle Silhouette am nördlichen Horizont selber ausmachen konnte. Er zog sein Fernrohr und musterte das Schiff, das direkt auf sie zusteuerte. "Sieh einer an", murmelte er und steckte das Fernglas wieder weg.
Er liess einige Segel reffen, um ihre Fahrt zu verlangsamen, und konnte erkennen, dass der andere Kapitän das selbe tat. Es dauerte nicht sehr lange, bis sie in Rufdistanz waren. Der Klabauter übergab Reina das Steuer und trat Steuerbord an die Reling. Ein schallendes Lachen schallte über das Wasser, gefolgt vom Ruf: "Ich hab mich ja gefragt, welcher verrückte Bastard mit so einer Schaluppe hier draussen rumdümpelt. Du! Das erklärt alles!"
Der Klabauter grinste, während sich die Schiffe noch näher kamen und setzte einen Fuss auf die Reling. "Lange nicht gesehen, Ranista!"
"Du warst ja auch wie vom Erdboden verschluckt, du dreckiger Bastard", rief der angesprochene zurück. Er trug hohe Stiefel, eine gestreifte Hose, ein offenes Hemd, einen Gürtel voller Messer und einen Schulterriemen, an dem ein schlankes Schwert hing. Unter dem Dreispitz auf seinem Kopf quoll eine Masse von schmutzigblonden Rastalocken hervor und obwohl er ein Halbelf war (vielleicht sogar etwas mehr Elf, so genau wusste das niemand) hatte er es fertig gebracht, sich so etwas wie einen Schnauz wachsen zu lassen. Zwei Goldzähne blitzten, als er weiter sprach: "Glaub bloss nicht, die sieben Jahre hätten irgendwas daran geändert, dass ich dich nicht ausstehen kann!"
Der Klabauter hob den Hut, wirbelte ihn elegant über sein Handgelenk in die Hand und verneigte sich. "Die Freude ist ganz meinerseits."
Ranista musterte ihn und sein Schiff. "Eigentlich wollte ich dich ja versenken und ausnehmen, wenn ich dich das nächste Mal sehe. Aber was zur Hölle auf Erden ist das?!" Er nickte auf das Seeschiff und spuckte aus. "Ist dein Schiff in der Wäsche eingegangen oder was?"

"So könnte man es nennen", antwortete der Klabauter ruhig, aber in seiner Stimme lag eine leise Drohung, die Ranista sehr wohl verstand. "Und, was jetzt, versenkst du uns?"
Ranista spuckte erneut aus. "Es macht keinen Spass, eine Nusschale zu versenken. Wir sehen uns wieder, wenn du was anständigeres unter den Füssen hast. Und du bis dahin nicht längst abgesoffen bist. Aber so wie ich dein unverschämtes Glück kenne, könntest du auch mit einem Badezuber in einen Sturm fahren und lebend rauskommen."
Er brüllte seine Männer an, sie sollten die Segel wieder setzen.
"Ich freue mich jetzt schon", sagte der Klabauter lachend und tippte sich an den Hut.
Ranista grinste breit.

Der Nordwestwind hielt an und es dauerte nicht lange, bis er wieder Regen brachte. Der Klabauter fluchte, als ihm der erste Regentropfen in die Pfeife viel und sie löschte.

"Fünf Tage, oder sechs", sagte er Klabauter. "Vielleicht auch nur vier, wenn der Wind so hält."
Er zog das Logbuch hervor und drückte es Reina in die Hand. "Noch eine Umdrehung, dann ist wieder Zeit für nen Eintrag."

Er nickte und ging nach unten, um sich noch etwas Schlaf zu holen.
Es war das Schiff, das ihn weckte, noch bevor Reina jemanden nach unten schickte, als der Seegang höher und der Wind stärker wurde. Er zog seinen Mantel an und band sich den Dreispitz auf dem Kopf fest, bevor er nach draussen ging. Es regnete wie in Strömen, so dass man kaum den Bugspriet sah, doch er wusste auch so, dass er eintauchte. Er stieg hinauf und übernahm das Steuer von Reina, befahl ihr, welche seiner Seeleute er an Deck haben wollte - nämlich die seefesteren - dass sie dafür sorgen sollte, dass die oben waren und der Rest unten und dass sie sich an den Seilen festhalten sollte, wenn sie über Deck ging.