"Es sollte reichen wenn ich den Ort sehe. Allzu weit entfernt darf er allerdings nicht sein." Niòl ging wortlos voraus und nahm die Treppe hoch zur Mauer. Der Elf folgte ihm. Den Helm hatte er sich wieder übergestülpt, damit die Zwerge seine Ohren nicht sehen konnten. Er entdeckte einen kleineren Berg, doch dieser war zu weit weg. Er würde zuerst in der Luft auftauchen müssen. "Wir werden mitten in der Luft auftauchen, doch beim zweiten Mal werden wir auf einem kleinen Felsvorsprung landen." Armelion zog seine Panzerhandschuhe an und packte dann die Schulter des Zwerges in einem festen Griff. Er wollte ihn nicht mitten in der Luft verlieren. "Los geht's!", murmelte er und sie verschwanden.
Mitten über dem Tal tauchten sie wieder auf. Für einen Moment schienen sie in der Luft zu schweben und Armelion suchte mit dem Blick gehetzt den Felsvorsprung, den er von der Festung aus zu sehen geglaubt hatte. Nur konnte er ihn nicht mehr finden. Für eine schreckerfüllte Sekunde fielen sie wie zwei Steine Richtung Boden, bevor sie wieder verschwanden. Sie tauchten auf einem kleinen Plateau auf. Er sah sich rasch um, doch er konnte keinerlei Späher entdecken. "Hier sollten wir sicher sein. Tut mir leid, aber ich konnte den Felsvorsprung nicht entdecken, den ich von der Mauer aus gesehen habe.", entschuldigte er sich zerknirscht. Armelion kniete sich hin und knotete den Beutel mit Neyamrin's Asche auf. Vorsichtig nahm er ein Korn raus und schluckte es. Der Energiestoss durchflutete ihn wie ein Stromschlag und er sprach die Worte für den Suchzauber.

Sie würden in der Luft auftauchen? Niól blieb der Mund offen stehen, doch bevor er widersprechen konnte, packte ihn eine gepanzerte Hand an der Schulter und sie verschwanden. Und tauchten mitten in der Luft wieder auf.
Tief unter ihnen sah Niól die Spitzen der Bäume, die sich auf den Hang eines der vielen Hügel drängten. Eigentlich hatten sie hier oben eine wunderschöne Aussicht, hinter ihnen klammerte sich Rhamas an den Minurtarham, unter ihnen zog sich das Vorgebirge dahin und in der Ferne sahen sie die Kwarth Ogros, die sich bis zum Horizont erstreckte. Doch Niól schlug das Herz bis zum Hals und er spürte Panik in sich aufsteigen. Zwerge waren für den Erdboden gemacht, nicht für Wasser, und schon gar nicht für die Luft. Doch als Niól in Richtung seiner geliebten Erde fiel, hatte er es gar nicht so eilig, dort unten anzukommen.
Erst nach einigen Sekunden freien Falls - so erschien es jedenfalls Niól - verschwanden sie wieder und erschienen auf dem Felsvorsprung, von dem Armelion geredet hatte. Es war ein seltsames Gefühl, eben waren sie noch gefallen und jetzt standen sie unbewegt auf dem Stein. Der Zwerg atmete tief durch, dann bemerkte er, dass er seine Streitaxt noch gar nicht gezogen hatte. Eilig holte er es nach, aber dem Anschein nach waren sowieso keine Feinde in der Nähe.
Der Elf schluckte irgendein Pulver und vertiefte sich in seinen Zauber, während Niól die Umgebung im Auge behielt. Er hoffte, der Zauber würde nicht lange dauern.

Vor seinem geistigen Auge flackerten Bilder auf. Schneller und immer schneller. Männer in Kettenhemden, Lederrüstungen, Plattenpanzern, Reiter, Fusssoldaten, Bogenschützen. Ihm wurde schwindlig von all der Information. Nach kurzer Zeit musste er den Zauber abbrechen. Er wandte sich ab, würgte und erbrach sich schliesslich über die Felskante. Mit einem angeekelten Gesichtsausdruck wischte er die Überreste mit ein wenig Schnee ab und spukte aus. Da war einfach zu viel Leben gewesen. Pflanzen, Steine und Wasser konnte er ohne Probleme wahrnehmen und die Informationen verarbeiten. Aber so etwas... Er wusste selbst nicht woran das lag. Vielleicht lag ein Schutzzauber über den Soldaten. Armelion brauchte einen Moment um das Durcheinander in seinem Kopf zu sortieren.
Nach einigen Minuten hatte er die wirbelnden Bilder einigermassen sortiert und blickte zu Niòl. "Ich habe an die 50'000 Soldaten wahrgenommen, bevor ich den Zauber abbrach. Es gibt viele Gruppen, die vor der Armee ausgeschwärmt sind um die Gegend auszuspähen. Eine Vorhut von 5000 Mann marschiert geradewegs auf Rhamas zu. Allerdings glaube ich kaum, dass sie die Festung einnehmen wollen. Sie werden die Brücke zerstören und einige Männer dort postieren, damit sie den Ausgang bewachen. Wir sollten zurückgehen und sie warnen." Mühsam richtete er sich auf und ging zu Niòl rüber. "Dieses Mal werden wir direkt auf der Mauer auftauchen.", sagte er und legte dem Zwerg eine Hand auf die Schulter. Im nächsten Augenblick waren sie verschwunden.

Zarkun war ebenfalls zur Arena gekommen. Kribatim hatte ihm geholfen, derart schnell zu reisen. Aber das war das letzte Mal, dass Kribatim für dieses Jahr diese Magie anwenden würde. Jede Stunde Reisezeit, die irgendwer, der durch seine Magie reiste, wettmachte, kostete ihm zehn Stunden Lebenszeit. Allein für Hexathar und seine Begleiter und Zarkun im östlichen Gebirge hatte er in letzter Zeit so einige Tage geopfert.
Aber nun gut, Zarkun war hier, gewandet in einen Kapuzenmantel, damit ihn niemand sah. Llaywans Körper. Der Einzige, der wirklich tot war.
Dann traf er sich mit Hexathar in einer Hütte.
"Ich habe den Osten ausgekundschaftet."
"Und?"
"Eine Armee ist im Anmarsch, bei den Zwergen geht einiges vor sich. Ich habe sie nicht genauer ausspähen können, da einige mächtige Magier im Umkreis sind, die mich vielleicht hätten finden können. Aber die Armee wird schon bald Dreitan erreichen und für Aufsehen sorgen. Es würde mich wundern, wenn nicht alles zu unseren Gunsten verlaufen würde. Bist du vorbereitet?"
"Ja", antwortete Hexathar knapp. "Und ich werde mich bemühen, dass alles funktionieren wird. Die Suchtrupps rücken täglich unserem Ziel näher. Was wirst du als nächstes tun?"
"Ich dachte, ich helfe, mich um Srit zu kümmern. Für die vier Dämonenstädte brauchen wir starke Magier. Und Kribatim könnte ja..."
"Wir können ihn nicht zwingen. Der Trupp nach Srit ist bereits unterwegs. Wenn du Richtung Westen wanderst, wirst du ihn irgendwann finden. In Derni werden sie vorbeikommen, vielleicht kannst du dich dort mit ihnen treffen. Ich gebe Ophtal Bescheid, er wird die Nachricht weiterleiten. Mittlerweile bist du das Leben in der Wildnis ja gewohnt und ein Meister im Überleben da draußen."
"Ja", antwortete Zarkun, "ich hoffe, es zahlt sich aus."
"Das wird es!"
"Was ist mit Drez, Brac und Kasz?"
"Kasz steht noch aus. Um Drez sollte sich Neshatar kümmern, wir werden Magier in ihn bannen, die alte Truppe. Sie haben es schonmal geschafft, sie werden es auch wieder schaffen, sollte das Blut ausreichen. Und was Brac angeht", er schmunzelte, "Shagan ist dort."
Zarkun schnaubte. "Shagan! Ihr verlasst euch zu viel auf ihn. Er hat nicht den Willen."
Hexathar sah ihn finster an. "Glaube mir, den hat er. Und er wird jeden Tag stärker!"

Candor hatte es gespürt, als sie kamen, er hatte es gerochen. Wie genau er gewusst hatte, dass er die richtigen aufgespürt hatte, konnte er nicht sagen, doch sie waren da. In der Arena. "Schwarzmagier", raunte er und der Wächter Loneys tauchte neben ihm auf. Er erschien wieder in der Gestalt eines Mannes, doch diesmal trug er eine Maske aus Silber, geformt wie das Gesicht einer Eule. Giftgelbe Augen funkelnden Candor fragend an. "Bring mich zu ihnen, so dass sie es nicht merken", bat er ihn und der Schwarzmagier schwang seinen Mantel, wie einen grossen schwarzen Flügel, um Candor und sich. Sie verschwanden, in Rauch aufgelöst.
Sie tauchten in der Arena auf, auf einem Ast direkt über den Magiern. Diese schienen sich über etwas zu beraten. Candor lauschte aufmerksam und heilt den Atem an, gab keinen Laut von sich. Die beiden Magier unterhielten sich über die Dämonenstäde und als Srit's Name fiel, horchte Candor auf.
Er merkte sich die Namen, die sie nannten und als ihr Gespräch abzuweichen drohte rief er nach unten "Seid gegrüsst", sprang hinunter, gefolgt vom Schwarzmagier Loneys und liess den Magiern keine Chance etwas zu erwidern. "Was wollt ihr in Srit?" Seine grünen Augen funkelten auf. Endlich geschah etwas spannendes.

Zarkun hatte gerade gehen wollen, als zwei komische Gestalten von einem Ast herabgesegelt kamen. Na super, was wollten sie von ihnen?
"Was wollt ihr in Srit?", hörte er den einen sagen.
Hexathar antwortete: "Wer seid ihr, warum habt ihr uns belauscht und wieso denkt ihr, erzählen wir euch das?"
Zarkun wusste, dass er sauer war. Er hasste Störenfriede. Zarkun indes fragte sich nur, wieso sie sie nicht bemerkt hatten, aber nunja, hier waren überall Magier. Sie konnten nicht jeden magischen Trick kennen, die Magie entwickelte sich dafür momentan einfach zu explosionsartig.

Candor zuckte mit den Schultern. "Eine Frage nach der anderen... Sagen wir mal, ich bin ein neugieriger Magier. Jetzt schuldet ihr mir Antwort. Frage für Antwort und Antwort für Frage", er lächelte auf seine belustigte Art und Weise, doch wurde im nächsten Augenblick ernst. "Was wollt ihr in Srit?", wiederholte er in einem kalten, schneidenden Ton.

Der Ton gefiel Hexathar nicht. Er hatte etwas feindseliges, einen Ton den eigentlich eine überlegene Person benutzt, wenn sie einen Gefangenen verhört. Und was er sagte, war ebenfalls dreist. Als wäre es nun seine Pflicht, zu antworten.
"Verwandte besuchen", antwortete daher schlicht.
Was bildete er sich eigentlich ein, dieser hochnäsige Typ? Er rümpfte die Nase. Diesen Bastard hätte er mit links besiegen können, wenn er denn gedurft hätte.

Candor lachte in sich hinein. Und konnte nur schwer sein Lachen unterdrücken. "Ihr seht nicht aus wie ein Walddämon", antwortete er und konnte sich schlussendlich wieder in den Griff kriegen. "Wart ihr das, der diesen bescheuerten Ruf ausgesendet hat?", fragte er weiter.

Er schien seinen Witz sehr amüsant zu finden oder es zumindest vorzugeben.
"Ich habe den Ruf nicht ausgesendet, sondern kam hierher um ebenfalls herauszufinden wer ihn ausgesendet hat und wieso. Es sind große Dinge im Rollen."
Hoffentlich war das Gespräch damit beendet.