Niól runzelte die Stirn. Drei bis sechs Monate hörten sich schlecht an. Tausend Mann hörten sich noch schlechter an.
"Zúan ist aktuell König des Reiches von Kor und Clanführer des Kor'san, des wichtigsten Clans der Zwerge. Er hat vor über einem Jahr die Macht in Kor ergriffen, zeitgleich mit Welfk in Murgird und Xoqas in der Feste, der sich Höchkönig nennt und dem er dient. Sie haben sich gewaltsam an die Macht geschwungen, und seltsamerweise waren viele wichtige Würdenträger sofort bereit, sie als Herrscher anzuerkennen und ihre Titel abzugeben. Angeblich sind sie Nachkommen der Alten Linie, die vor über einem Jahrtausend herrschte, und damit berechtigen sie auch ihren Anspruch auf den Thron. Einige Tage lang gab es Unruhen in Kor und vermutlich auch in den anderen Städten, aber das Volk war verunsichert, wegen ihrem angeblich gerechtfertigten Anspruch und weil nur wenige der Politiker oder hohen Priester dagegen protestierten. Zúan und die anderen waren es auch, die die Armee aus dem Osten herbeigeholt haben. Vermutlich schon bevor sie den Thron erobert haben.
Die Festungen in der Nähe von Kor sind ihm loyal, da sie wegen der Entfernung keinen Konflikt riskieren wollen. Damit stehen die großen Burgen Rotbergwacht und Steinhammer und viele kleine mit ihren Männern auf seiner Seite. Uns gehören noch einige Festungen im Norden, die größte unter ihnen Eisturm mit fast tausend Männern Besatzung."

Armelion sah die Besorgnis des Zwerges. Er nahm noch einen Schluck vom Met um einen Moment Zeit zu gewinnen und eventuelle Pläne zu entwickeln. "Im Gebirge kommt es nicht so darauf an wie viele Männer man hat, sondern wie gut sie ausgebildet sind. Natürlich ist ihre grosse Zahl ein Problem, doch gleichzeitg auch ihre Schwäche. Eine grosse Streitmacht hat hier oben kaum einen Vorteil. Sie können im Falle einer Schlacht die feindliche Armee nicht einkesseln oder in die Flanken fallen. Sie werden ausserdem sehr langsam sein. Sie werden sicherlich zwei wenn nicht drei Monate brauchen um durch das Gebirge zu kommen. Wenn sie sich diese Zeit nicht nehmen, werden sie ihre Nachschubslinien entblössen und jeder Raubritter könnte sich nehmen was er wollte.
Was mir Sorgen bereitet sind die Feinde, die ihr im eigenen Volk habt. Aber vorher erlaubt mir noch eine weitere Frage: Warum ist der Herrschaftsanspruch eures Anführers besser als der von Zuan?"

Niól hörte, wie jemand empört ausatmete und einer der Zwerge "unverschämter Elf" murmelte. Zustimmendes Gemurmel ertönte. Er selbst war nicht so getroffen, schließlich hatte er sich diesen Zwergen nicht einmal ganz freiwillig angeschlossen.
"Fürst Vorknas ist der zweite Sohn des Bruders unseres alten Königs Oron. Sein älterer Bruder wurde getötet, genau wie Oron und alle seine direkten Nachkommen und Geschwister. Zúan ließ außerdem den Hohepriester des Kor'san hinrichten und viele weitere Zwerge bei den Aufständen. Und er kann noch nicht einmal beweisen, dass er ein Nachkomme der Alten Linie ist, wir haben nur sein eigenes Wort. Theís, der letzte König der alten Linie, ist seit über einem Jahrtausend tot, und in den Chroniken steht, alle seine Nachkommen ebenfalls. Und auch seine Vorfahren kamen mit Gewalt an die Macht."


ich merke gerade, ich wechsle die ganze Zeit zwischen Zúan und Zuán

Armelion verzog keine Miene als er das empörte Gemurmel hörte. Ihnen musste klar sein, dass er nicht einfach so ein Bündnis mit jemandem eingehen konnte, doch bis jetzt sah die Sache für ein Bündnis gut aus. Er entschied sich das Thema zu wechseln. "Ihr habt sicher schon begonnen Soldaten zu sammeln und für den Krieg auszurüsten. Ich werde mir mal die Armee ansehen um in Erfahrung zu bringen was für Truppen sie haben. Dann können wir uns am Besten gegen sie vorbereiten. Ich schlage vor, dass nur jemand mich begleitet. Je kleiner die Gruppe, desto geringer ist die Chance dass wir entdeckt werden." Er hoffte Niòl würde sich offerieren. Von allen Zwergen war er ihm der sympatischste, aber zuerst würden sie ausruhen. Morgen hätten sie noch genug Zeit um loszuziehen.

Niól nickte. "Wir haben bereits damit begonnen, offen in Eisturm sowie verdeckt in Kor. Ich bin aber nicht in der Position, dass ich viel darüber weiß." Er überlegte, wer den Elfen begleiten sollte, er selbst oder Tasór. Letzterer war lange Zeit General gewesen, wusste also viel über die Truppen der Zwerge bescheit, aber sein Meister würde sicher verlangen, dass er selbst den Elfen begleiten sollte, um möglichst viel herauszufinden. Tasór würde wahrscheinlich beides akzeptieren, aber es würde sehr merkwürdig erscheinen, wenn er sich gegen ihn entscheiden würde. Er entschloss sich, sich aus der Bredouille zu ziehen, indem er sagte: "Aber es ist schon spät, lasst uns erst eine Nacht ruhen und dann morgen aufbrechen."
Er betrachtete seinen Met und bemerkte, dass er ihn bisher kaum angerührt hatte. Er trank einen Schluck, dann losten sie aus wer in den zwei Zwergenbetten schlafen durfte - als Elf fiel Armelion natürlich raus.

Growndrill sah der Morgendämmerung zu. Das gließende Sonnenlicht ließ die Wolken und sein Haar golden glitzern, was ihn einen Hauch menschlicher machte. Neben ihm saß der Schwarzmagier, eine merkwürdige, zu lang geratene Eule.
Die Erinnerung war unklar gewesen, doch hatte sie Growndrills Vermutung bestätigt. Dieses Wißen erfüllte ihn mit Ruhe und er wußte, was er als nächstes tun mußte.

Bevor die Zwerge fertig ausgelost hatten, wer die Betten kriegen sollte, schnappte Armelion sich ein Kissen und schob die Binsen auf dem Boden zusammen. Er hatte schon unbequemer geschlafen. Er leerte den Metkrug in einem kräftigen Zug und schenkte sich nochmals nach. Gerade als er den Krug zu den Lippen hob kam ein Zwerg rein und er trug eine grosse Schüssel voll mit dampfendem Eintopf. Der Duft von einem Hammeleintopf verbreitete sich in dem kleinen Raum, als der Zwerg seine Last wortlos auf dem Tisch abstellte und noch zwei Brotlaibe danebenlegte. Grusslos schlurfte er wieder raus.
Erst als die Türe wieder zuschlug erlaubte sich Armelion einen Stossseufzer der Erleichterung. Der Zwerg hatte seine Ohren nicht bemerkt. Der Elf löste seinen Schwertgurt und legte ihn über das erbeutete Kissen, bevor er sich an den Tisch setzte. Sein Magen knurrte hörbar was kein Wunder war. Die letzte Mahlzeit hatten sie am Morgen eingenommen. Er zückte sein Speisemesser und spiesste ein grosses Stück Fleisch auf.
Wortlos verzehrten die Zwerge und der Elf das Mahl. Keiner schien zu einem Gespräch aufgelegt zu sein, was ihn eigentlich auch nicht weiter wunderte. Viel mehr erstaunte es ihn, dass noch keiner versucht hatte ihn umzubringen. Gesättigt und ein wenig angetrunken legte er sich schliesslich hin und schlief prompt ein. Morgen würde er seine Kräfte brauchen.

Am nächsten Tag hatte Niól eine Entscheidung gefasst. Nachdemihr Frühstück gebracht worden war und sich alle bereit machten, bald aufzubrechen, sagte er zu Tasór: "Führ die anderen nach Kor und setze die anderen dort über die aktuelle Lage in Kenntnis. Frag außerdem, wie es mit den anderen ausgeschickten Gruppen steht." Der Zwerg sah etwas überrascht aus, nickte aber. Dann wandte Niól sich an Armelion. "Ich werde Euch begleiten, aber wohin? Wollt Ihr zum Eisturm oder nach Kor?"

"Ich will mir die feindliche Armee ein wenig ansehen.", erwiderte Armelion gut gelaunt und band sich den Schwertgurt um. Anschliessend stülpte er sich den Helm wieder über den Kopf. "Ich werde mich in die Nähe des Feindes teleportieren, einen Spürzauber wirken und dann verschwinden wir wieder. Der Zauber dauert nicht lange, allerdings brauche ich jemanden, der mir während der paar Sekunden den Rücken freihält. Kannst du das für mich erledigen? Sobald der Zauber abgeschlossen ist, bringe ich uns weg."

"In Ordnung" Niól schwirrte ein wenig der Kopf. Spürzauber, teleportieren...er wünschte sich die Zeit zurück, in der alles noch mit einer Axt in der Hand hatte geregelt werden können.
"Brauchst du dazu Erinnerungen von jemandem daran, dass er an dem Ort stand, oder reicht es, wenn du ihn von der Mauer aus siehst?"