Ro plünderte den Typen, den sie zusammengeschlagen hatte, wobei sie ihm vorsorglich noch einmal die Faust ins Gesicht schlug, damit er gar nicht erst die Musse hatte, auf dumme Gedanken zu kommen. Er hatte nicht sehr viel Geld dabei, aber es würde reichen, um sich ordentlich zu betrinken. Als sie zum anderen hinüberlaufen wollte, dem sie den Humpen an den Kopf geworfen hatte, und der recht leblos wirkend am Boden lag, verfing sich etwas an ihrem Stiefel. Sie hob es auf und sah, dass es ein dunkler Handschuh war. Dann bemerkte sie Risk, die verzweifelt nach etwas Ausschau hielt.
"Suchst du den hier?", fragte sie und hob den Handschuh hoch.
"Ja", antwortete Risk und kam auf sie zu, um ihn entgegenzunehmen, aber im letzten Moment, zog Ro die ausgestreckte Hand zurück und machte grinsend einen Schritt rückwärts. "Wenn du ihn willst, musst du ihn dir holen."
Risk schien einen Moment lang zu brauchen, um zu kapieren, dass sie das jetzt wirklich ernst meinte, dann zeichnete sich ein genervter Gesichtsausdruck in ihrem Gesicht ab, der eindeutig hiess: Jetzt tu nicht kindisch und gib mir das verdammte Ding.
Aber Ro hatte gerade Lust, kindisch zu tun. Nur ein bisschen Spielen. Schadete ja keinem.
Sie wich zurück, während Risk auf sie zu kam, stolperte dabei fast über einen der am Boden liegenden, fing sich aber auf. Risk schien zu schwanken zwischen dem Grundsatz, dass ihr dieses Spiel definitiv zu blöd war, als dass sie sich darauf einlassen würde, und der Tatsache, dass sie gerade ziemlich sauer wurde. Letzteres siegte schliesslich und sie sprang auf Ro zu. Ro machte einen Schritt rückwärts und rollte reflexartig rückwärts über den Tisch, der ihr gegen die Hüfte stiess. Risk folgte ihr mit einem Sprung und packte nach ihr, aber Ro entging ihrem Griff im letzten Moment seitwärts und sprang lachend über einen freien Platz Bank auf den nächsten Tisch, wo sie herumwirbelte, als wollte sie auf Risk warten. Risk setzte ihr sofort nach, aber bevor sie sie erreichte, sprang Ro aufwärts und griff nach dem Deckenbalken, der sich waagrecht unter dem Schrägdach des Schankraumes hinzog, um sich hinaufzuschwingen. Sie hatte das schon so viele Male gemacht in einer Schenkenprügelei, und sie liebten die dummen Gesichter ihrer Gegner, wenn sie von unten heraufglotzten. Aber diesmal trugen sie ihre Arme nicht. Sie hatte vergessen, dass sie noch längst nicht wieder so stark war, wie sie es vor dem Angriff auf Nagareth gewesen war. Als sie sich aus dem Sprung am Balken hochstemmen wollte, knickten ihr die Ellbogen ein, sie fiel und krachte auf Risk hinunter, was jene vom Tisch riss und sie beide auf den Bank, halb auf den Boden knallen liess, wobei Ro das bessere Los zog, weil sie oben zu liegen kam.
Ro sah Risks Gesicht wenige Zentimeter vor ihrem. "Sssorry?", meinte sie zaghaft grinsend.

Ro rappelte sich auf, war aber erst auf den Knien, als sich der Wirt vor ihr aufbaute. "Ich will mich ja ungern einmischen", meinte der ziemlich grosse und ziemlich gewichtige Mann, während er seine Pranken in die Seiten stemmte. "Aber...", begann er, und es war ein aber mit sehr viel Nachdruck, gesprochen von einer Stimme, die durch den ganzen Schankraum schallte. "Erstens reicht es jetzt erstmal und zweitens könntet ihr gefälligst die Schweinerei aufräumen, die ihr da angerichtet habt."
Er deutete auf die zerschlagenen Falschspieler. Einige, darunter der Typ, dem Ro den Arm gebrochen hatte, hatten sich mittlerweile vom Acker gemacht, aber zwei, drei andere lagen immer noch mehr oder weniger tot oder lebendig herum.
Ro wusste aus Erfahrung, dass man sich zwar mit allen möglichen Leuten anlegen konnte, es sich aber normalerweise nicht mit dem Wirt verscherzen sollte. Man riskierte sonst, nichts zu trinken mehr zu bekommen. "Kein Problem", meinte sie also, sprang auf die Füsse und salutierte. "Wird sofort gemacht."
Sie widmete sich dem Typen, der ihren Humpen gegen den Schädel gekriegt hatte. Der Humpen war noch ganz. Gute Qualitätsware. Was man vom Schädelknochen des getroffenen offensichtlich nicht behaupen konnte. Ro brauchte eigentlich nicht erst nach seinem Hals zu tasten, um festzustellen, dass er hinüber war, tat es trotzdem, und wurde bestätigt.
Sie fackelte nicht lange, sondern packte ihn am Kragen und schleifte ihn hinter sich her nach draussen, wo es mittlerweile dunkel war. Erstmal dem Typen alles abnehmen, was irgendwie noch brauchbar war - das hiess, so ziemlich alles bis auf die vermutlich total versiffte Unterwäsche - und dann würden sich die Fische über ein spätes Abendessen freuen.

"Ja", antwortete Ro. "Ziemlich tot. Ich schmeiss ihn einfach ins Wasser."

"Ne, krieg ich schon hin", meinte Ro. "Aber vielleicht gibts drinnen noch was zu tun. Der Wirt meinte, wir sollen aufräumen, und da liegen noch zwei rum. Ah und... sorry wegen vorhin", fügte sie etwas verlegen hinzu. "Das war nicht ganz so geplant."

Ro schleifte den Toten ein Liedchen summend hinunter zum Seeufer, dort entledigte sie ihn seines Geldes, seiner Schuhe und seines Hemdes - auf letzterem war zwar etwas Hirn verteilt, aber das konnte man ja wegwaschen. Die Hose liess sie ihm, denn offensichtlich trug er keine Unterhose darunter und sie wollte gar nicht wissen, was da alles am Stoff im Schritt klebte. Von den restlichen Habseeligkeiten steckte sie sofort ein, was sie für sich wollte - da war ein hübsches, kleines Messerchen dabei, das man notfalls auch gut verkaufen konnte, und ein Flachmann von guter Grösse - den Rest legte sie beiseite, damit es die anderen nachher unter sich aufteilen konnten, dann stiess sie den Mann über die Felsen hinunter ins Wasser, wo er klatschend landete, und verpasste ihm einen Stiefeltritt, der ihn vom Ufer wegtreiben liess, bevor sie sich auf den Rückweg zur Schenke machte.