Als Ro erwachte, lag sie allein beim heruntergebrannten Feuer. Das Lager war still - so still zumindest wie mehrere hundert schlafende Männer eben waren - und es musste bereits geraume Zeit nach Mitternacht sein. Gähnend rappelte sie sich auf und sah hinüber zum Zelt. Sie wusste, dass es das beste war, sich hinzulegen und weiter zu schlafen. Aber sie war nicht müde. Einige Minuten lang blickte sie hinauf zum Himmel, wo der Wind Wokenfetzen vor dem Mond her trieb. Dann verschwand sie zwischen den Zelten.
Sie brauchte nicht lange, um Korvus' Zelt zu finden. Es war weitaus grösser und prächtiger, als diejenigen, die die Söldner zu sechst belegten. Das an sich war normal, was nicht normal war waren die dreitausend Wimpel. Und er hatte sogar zwei Wachen vor dem Eingang aufgestellt. Paranoider Idiot. Darez hatte niemals Wachen vor seinem Zelt gehabt, egal wie nahe der Feind gewesen war. Gut, Darez war vielleicht nicht unbedingt ein Vergleich. Aber soweit sie wusste, schlief auch Hauptmann Zokar ohne Wachen. Und sowieso, wenn man schon Wachen wollte, dann stellte man doch nicht beide auf der Vorderseite auf!
Weiträumig und ungesehen schlich sie auf die Rückseite des Zelts, zog vorsichtig einen der Heringe heraus und kroch leise unter der Zeltplane hindurch. Wobei sie so leise nicht hätte sein müssen. Der Typ schnarchte zwar nicht, dafür gab er im Schlaf eine ganze Reihe anderer unappetitlicher Geräusche von sich.
Im Zelt war es dunkel. Trotzdem brauchte sie nicht lange, um seine Kleider zu finden und den Dolch aus der Scheide an seinem Gürtel zu ziehen. Langsam trat sie auf das Bett zu und hob die Hand, bereit zuzustossen.
Erst da sah sie, dass der Mann nicht alleine war. In seinen fetten Armen lag ein nacktes Mädchen, eine Marketenderin, ein furchtbar junges Ding. Ro fragte sich, wo er sie her hatten, wo sie doch ohne Tross reisten, aber Offiziere hatten immer Sondergenehmigungen. Sie unterdrückte einen Fluch und zögerte. Auch wenn sie niemals grosse Sympathien für die Trosshuren gehegt hatte - in ihre Augen verkaufte jemand, der seinen Körper verkaufte, auch seine Ehre und Würde, und wer war man denn dann noch - wollte sie doch nicht, dass das Ding am Ende für einen Mord aufgeknüpft wurde, den es nicht begangen hatte. in den Armen dieses Schweins zu liegen, war bei weitem schlimm genug.
Sie steckte den Dolch zurück an seinen Platz und verschwand genau so leise wieder aus dem Zelt, wie sie gekommen war.
weiter östlich
Die feindliche Armee hatte die neue Stellung noch nicht erreicht, aber sie waren nicht mehr fern. Bereits konnte man den Rauch, der von ihren Feuern aufstieg, sehen. Ein Tag noch, sagten die Späher, dann würde der Kampf von neuem beginnen.
noch weiter östlich
Der Meister befahl sein Geschöpf zu sich. Ausser ihm war niemand lebendes mehr auf dieser Seite des Passes. Sie hatten sich sattgefressen an den Sklaven, ihr inneres mit deren Körperfett und Blut geschmiert. Sie waren bereit.
Das Wesen neigte den Körper vor Kehla'kan und formte Stufen, auf denen der Meister bequem auf den Platz zwischen den mächtigen Flügeln steigen konnte. Dann erteilte er den Befehl und sie erhoben sich in die Luft, 16 schwarze Gestalten, die der finstersten Hölle zu entstammen schienen.
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