ab ca. eine Woche später, Mitte November, östlich von Brimmen
Ro, Alastar und fünf Soldaten unter Tibor's Führung, Zwergengesandtschaft
<- Brimmen S. 63

Je höher sie die Strasse in die Berge führte, desto kälter wurde es und desto tiefer der Schnee, der unten am Seeufer schon fast wieder geschmolzen war. Sie hatten lediglich zwei Zelte mitgenommen für die neun Leute, die sie waren und entzündeten Feuer im Eingang, um sie warm zu halten, wobei Ro sich nicht über Kälte beklagen musste. Es war viel wärmer zu zweit unter einer Decke als alleine.
Das Tal, dem sie folgten, wurde immer schmaler und nach einigen Tagen begann die Strasse in Serpentinen anzusteigen. Hier begegneten sie zum ersten Mal anderen Zwergen, die sie zuerst aufhielten, sie aber passieren liessen, als Zugehörigkeit und Zweck der Reise geklärt waren. Am Abend erreichten sie einen Vorposten, kaum mehr als ein Turm am Rand der Strasse, von dem aus sich jedoch das ganze Tal über viele Kilometer überblicken liess. Man gab ihnen Quartier in einem der oberen Böden und sie assen zusammen mit den Zwergensoldaten, die die Station bemannten am Feuer in der unteren Halle.
Eine Weile lang sass Ro wie auf Nadeln, ob irgendjemand sie erkannte, aber nach einer Weile war klar, dass das nicht der Fall war. Die Zwerge behielten sie und Alastar zwar misstrauisch im Auge, aber nicht voreingenommen feindselig, mehr im Sinne von "Solange du friedlich bist, bist du ein Gast. Aber wenn du irgendetwas gefährliches machst, wirst du auf der Stelle zum Feind", und nach einigen Krügen Zwergenbier wurde die Stimmung bald gelöster.

viel weiter südlich

"Wir haben verloren, wieso siehst du das nicht ein?!" Ingral sah Thjorn wütend an, dann wandte er sich an die anderen. "Ihr wisst es doch auch! Wir können nichts mehr tun! Wir haben verloren!"
Jêrkn und Warg wichen seinem Blick aus, aber keiner von beiden widersprach ihm. Nesh schliff weiter seine Axt und blickte nicht auf.
"Und jetzt?", fragte Thjorn. "Was bringt uns diese Erkenntnis? Was hilft sie uns?"
"Ich... es...", setzte Ingral zu einer Antwort an, und begriff dann, dass er keine wusste. "Es hat einfach keinen Zweck mehr was wir hier tun. Keinen Sinn!"
"Das kann sein", antwortete Thjorn. "Aber was bleibt uns anderes zu tun? Ausser uns hinzulegen und zu sterben."
"Ich... ich weiss es nicht", sagte Ingral erstickt.
"Ich auch nicht", antwortete Thjorn.
Betretenes Schweigen machte sich breit, dann fing Jêrkn an zu schluchzen. Es war so ungewohnt, dass sogar Nesh aufblickte und langsam drang zu ihm durch, was vorher überhaupt gesprochen worden war. Sie waren am Ende. Mit den Kräften und den Nerven. Sie hatten alles gegeben. Sie hatten nichts mehr. Keine Waffen, keine Heimat, keine Leute, die ihnen folgten, keine Hoffnung, kein Ziel. Es war alles verloren.
Warg rutschte hinüber zu Jêrkn und fasste ihn an der Schulter, um ihn zu trösten. "Sie sind alle tot", meinte der tränenerstickt. "Es hat überhaupt keinen Sinn mehr."
Alles verloren. das war für ihn nichts neues. Aber er wusste, wie weh es tat. Sie brauchten ein Ziel. Etwas, was den Schmerz in Wut verwandelte. "Murgird", sagte er plötzlich.
Alle sahen ihn an. "Was?", fragte Thjorn.
"Wir befreien Murgird", antwortete Nesh. "Kor mag verloren sein, aber noch nicht die Zwerge."
"Aber Murgird ist in der Hand von Welfk", wandte Thjorn ein.
Nesh stand auf. "Dann gilt es das zu ändern."

Ro strahlte. Das war Leben. Singen und saufen unter Waffenbrüdern. Fehlte noch eine Schlägerei und der Abend war perfekt. Sie sah sich um, und schliesslich blieb ihr Blick grinsend an Alastar hängen. Wenn sich die Dämonen untereinander prügelten, konnten die Zwerge kaum etwas einzuwenden haben, oder?
Sie wartete, bis er sie ansah, und forderte ihn heraus.

Sie liess sich nicht zweimal bitten, sondern schlug zu. Natürlich hatte er genau darauf gewartet und konterte, aber sie war längst nicht so betrunken wie beim letzten Mal, als sie sich geprügelt hatten, und ihre Reflexe schnell genug, um auszuweichen. Sie nahm das Feuer, das hinter ihm flackerte und ihr Grinsen wurde breiter, als sie erneut angriff.

Sie rollte sich ab und fiel zu Boden. Auf dem Rücken liegend, trat sie von unten her gegen die Tischkante und warf ihm das ganze Möbel samt allem was darauf lag entgegen, während sie wieder auf die Füsse kam. Mit dem umgekippten Tisch zwischen sich teilten sie Schläge und Tritte aus, bevor er darüber hinweg sprang und sich auf sie stürzte. Sie gingen zu Boden, mit einer Rolle kam Ro obenauf, packte ihn am Kragen und wollte ihm ins Gesicht schlagen, aber er traf sie zuerst und stiess sie von sich. Sie sprang auf, aber er tat dasselbe, traf sie aus der Bewegung von unten mit der Schulter in den Magen und sie krachten beide gegen die Wand, Ro völlig eingequetscht. Ohne nachzudenken holte sie Anlauf und schlug ihm mit voller Wucht ihre Stirn ins Gesicht.