War der Elf jetzt etwa völlig plemplem? "Neyamrin ist tot. Du hast ihn selber getötet, Schwachkopf. Wie soll jemand anderes seinen Geist da eingesperrt haben? Du hast doch das Amulett von Alvian. Oder etwa doch nicht?", fragte sie scharf mit zusammengekniffenen Augen. Eine Hand hielt sie am Gürtel, der in Wirklichkeit eine Waffe war. Sie wurden aber von einem Hämmern an der Tür unterbrochen. Akira trottete hin und öffnete. "Eilbotschaft für Hohepriesterin Ran", stiess ein Bote atemlos hervor. Er winkte ihr mit einem Umschlag und stützte sich nach Luft schnappend an den Knien ab. "Hier bitte Herrin", sagte er und Akira reichte dem Mann ein Glas Wasser, dass dieser sofort hinunterstürzte und leer zurückgab.
Der Brief war mit Narums Siegel versehen. Skeptisch öffnete ihn Ran. Sie warf über die Schulter Armelion einen giftigen Blick zu, um sich zu vergewissern, dass er ja im Garten blieb. Während dem Lesen verlor sie immer mehr und mehr an Farbe. Wie versteinert stand sie da und las den Brief erneut. Dann bedankte sie sich mechanisch beim Boten und gab ihm eine Kupfermünze. Er nahm sie dankend entgegen und ging, hinter seinem Rücken verbrannte Ran die Nachricht zwischen ihren Fingern. "Was ist los?", fragte Akira besorgt. Sie schüttelte den Kopf um wieder reden zu können. "Narum kommt hierher", antwortete sie ihm und lief zurück in den Garten. Ran blieb vor Armelion stehen. "Ich sag's dir zwar nur ungern, aber du wirst bald sterben", verkündete sie ohne dass auch nur ein Muskel in ihrem Gesicht gezuckt hätte. "Und ich bekomme gewaltige Probleme, vielen Dank Drewngard", dachte sie für sich.

Neyamrin knurrte. Armelion konnte es hören. Es passte ihm nicht, dass Reyla ihm nicht zuhören wollte. "Kann ich mir deinen Körper leihen? Dann wird sie mir sicher zuhören!"
"Ähem. Na gut." Der Elf sprach seine Gedanken diesmal laut aus. Er spürte wie sich Neyamrins Geist streckte und von seinem Körper besitz ergriff. Dabei blieb jedoch ein Teil seines Geistes an das Amulett gebunden. Armelions Pupillen weiteten sich schlagartig und sein Körper stand ohne sein zutun auf. Es war schon ein komisches Gefühl.
"Jetzt hör mir mal zu Randreyah." Seine Stimme klang tiefer als üblicher und sehr zornig, "Der Elf hat ohne es zu wissen verzauberte Pfeile benutzt. Meine Seele wurde an diesen Stein gebunden und durch unzählige Zauber damit verbunden. Meine Kraft lag jedem offen, der das Amulett trug, aber der Elf konnte diese Zauber brechen. Ich kann mich nun jedem verschliessen und sogar von jemandem Besitz ergreifen wie du siehst. Ich will Alvian tot sehen, mehr noch als der Elf. Mein Körper wurde benutzt um Armelions Familie auszulöschen. Ich weiss nicht von wem, aber dieser jemand muss ein mächtiger Magier gewesen sein. Alvian wollte Armelion zu seiner Waffe machen. Seit der Elf zu der Armee der Nachtzinne gestossen ist wurde er von dem Mann manipuliert. Wenn du sein Leben gesehen hättest wüsstest du was ich meine. Er hat mich aus Alvians Besitz gerettet und dafür bin ich ihm dankbar, wenn auch er mich überhaupt in diese Situation gebracht hat." Neyamrin verstummte und zog sich in das Amulett zurück.
"Na, das war mal ein Erlebnis.", murmelte Armelion und zog sich hastig das Amulett ab. "Kannst du es jetzt entgegenehmen. Ich will nicht das er nochmal von mir besitz ergreift." Seine Stimme war wieder normal. "Und dann würde ich noch gerne wissen, wer mich umbringen will?"

Ran sah ihn eine Weile lang nur an. "Tolle Vorstellung", meinte sie wenig begeistert und klatschte lasch. "Und jetzt hörst du mal zu Elf", sagte sie und war bereit ihre Waffe zu ziehen. "Ich habe keine Bestätigung, ob wirklich Neyamrins Geist in diesem Ding steckt, oder der Geist von sonst jemandem. Es spielt auch keine Rolle, denn ich habe nicht einmal die Spur eines Grundes, dir zu glauben, oder gar zu trauen. Du behauptest zwar, nicht mehr auf der Seite der Nachtzinne zu sein, doch hast du einen Beweis? Nein. Und selbst wenn, würde das nichts heissen. Alvian weiss, dass die Assassinen Azuras eine grosse Bedrohung für ihn darstellen und ich habe allen Grund zur Annahme, dass er dich immer noch als Schosshündchen hält und dich hergeschickt hat, um mich auszuschalten", ihre Augen veränderten unwillkürlich die Farbe. "Ich habe nicht die Absicht dir zu helfen, oder dein Leben zu retten. Nur weil der Grossdrache angeordnet hat, dass kein Drache, oder Halbdrache dich töten darf, heisst es nicht, dass wir dich beschützen, oder unterstützen müssen. Ich will nichts mit deinen Racheplänen zu tun haben und es interessiert mich nicht im Geringsten, wen du weshalb töten willst. Was deine ach-so-tragische Vergangenheit angeht, die interessiert mich noch weniger", sagte sie kalt. "Aber ich will nicht herzlos wirken. Beweise mir, dass wirklich Neyamir im Amulett steckt und ich werde mir anhören, was er zu sagen hat", sagte sie schliesslich und sah ihn ausdruckslos an.

Wie bitte sollte er ihr das Beweisen? "Na los. Rück mal mit einem Vorschlag raus.", knurrte er Neyamrin an.
"Halt die Klappe. Sag ihr sie soll für einen Moment ihre Abwehr senken und mal überlegen, was für einen Sinn ihre Worte ergeben. Wieso solltest du auf der Seite der Nachtzinne stehen, da du Avis und ihren Jungen Biarn aus der Festung entführt hast? Und sie soll für einen Moment lang ihre Abwehr senken, damit ich mit ihr reden kann."
Armelion seufzte und richtete ihr alles beinahe wortgetreu aus. "Ich habe einen Vorschlag. Ich lege das Amulett auf den Tisch und du kannst es untersuchen. Solange du es nicht berührst kann dir nichts passieren und du wirst seine Stimme kaum wahrnehmen. Also senk deine Abwehr zumindest für einen kleinen Augenblick und hör auf so misstrauisch zu sein." Er legte das Amulett auf den Tisch und trat einige Schritte zurück. "Und ausserdem habe ich nicht um Schutz gefragt. Aber wieso sollte Alvian dich ausschalten wollen? Du hast doch gerade selbst gesagt dass du offiziel tot bist. Aber wie auch immer der wichtigste Punkt ist, ich kann und will dich nicht töten. Du hast mir zwei mal das Leben gerettet. Dies ist eine Schuld, die ich nicht auf die leichte Schulter nehme. Darum hör jetzt auf dich wie ein trotziges Kind aufzuführen und schau dir mal das Amulett an. Neyamrin ist nicht geduldig. Genau so wenig wie es sein Bruder Drewngard ist. Ich warte mittlerweile im Garten." Er machte auf dem Absatz kehrt und ging aus der Schmiede.

Ran musterte das Amulett nur feindselig. "Hochnäsiger, kleiner Drache, was denkst du dir eigentlich dabei? Mir einfach so einen aufgeblasenen Elfen aufzubinden", murmelte sie und hob das Amulett vor ihre Augen. "Tote, sollten tot sein, Neyamrin. Hat deine Mutter dir das nicht beigebracht?", fragte sie ihn. "Du bist leichtsinnig geworden Kleiner und eingebildet. Nur weil du ein direkter Verwandter des Grossdrachen bist, hast du nicht das Recht unhöflich zu sein. Was willst du?"

"Du hast auch nicht das Recht Unhöflich zu sein Randreyah. Es ist schwierig jemanden von hier aus zu erreichen. Der Elf hat es mir erleichtert. Er wird versuchen den Zauber zu brechen, der mich an den Stein bindet doch ich bezweifle dass er das schaffen wird.", erwiderte Neyamrin ohne auf ihre Frage einzugehen. "Doch ich wollte fragen ob Drewngard versuchen wird mich zu rächen. Ich will nicht dass er sich gegen die Befehle des Grossdrachen auflehnt, bitte versuch ihn davon abzuhalten. Und der Elf ist mächtiger als du denkst. Ich habe sein ganzes Leben erforscht und alles gesehen was er gelernt hat. Und er lernt immer schneller. Mittlerweile kommen Tag für Tag neue Zauber dazu. Einige sind mir unbekannt und ich weiss nicht wie sie wirken. Ich befürchte falls es zu einem Kampf zwischen ihm und Drewngard kommt könnte er meinen Bruder verkrüppeln. Ich will nicht das so etwas geschieht und ausserdem will ich nicht dass er den Zorn des Grossdrachen auf sich zieht."

Ran schnaubte. "Ich bin nicht sein Babysitter. Du kennst deinen Bruder, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat, kann ihn nichts davon abhalten. Er wird nicht verkrüppelt und er wird den Zorn des Grossdrachen nicht auf sich ziehen. Was dein Elfchen angeht, glaube ich, dass es zu tief seine Nase in Schwarze Magie reinsteckt. Es endet noch irgendwann wie der Schwarze Fürst, oder wie der Schwarzmagier, der mich in Loney umgebracht hat", sagte sie. "Was das mit dem Amulett angeht... Wenn er den Zauber löst, wird sich deine Seele auflösen. Es wird den gleichen Effekt haben, wie wenn man das Gefäss zerschlägt. Der Grossdrache, kann dir einen neuen Körper schaffen. Aber er wird kleiner sein, als dein letzter und er würde deine Knochen brauchen... War das alles, was du sagen wolltest, Neyamrin? Ich habe nicht viel Zeit. Narum wird jeden Moment hier aufkreuzen und noch ein wütender Besucher..."

"Er wird nicht so enden wie der Schwarze Fürst, da bin ich mir sicher. Ich kenne ihn mittlerweile sehr gut. Er wird die Kontrolle behalten. Und was meinen Körper angeht... ich werde ihn darum bitten die Knochen zum Grossdrachen zu bringen. Ich bin mir sicher er wird das tun.", erwiderte Neyamrin. "Aber bitte sag mir wer ihn angreifen wird. Ich spüre dass du das weisst. Der Elf ist noch wichtig. Er kann Alvian und dessen Herrn töten. Die beiden Planen etwas."

Sie seufzte erneut. "Das kannst du dann der Person selber sagen. Ich will dir nicht sagen, wer es ist. Du findest es früh genug heraus", antwortete sie und verschloss wieder ihren Geist.
Ran ging in den Garten und warf Armelion das Amulett zu. "Hier hast du wieder dein Haustier", sagte sie und ging. In der Schmiede fing sie Akira ab. "Willst du nicht noch zum Essen bleiben?", fragte Akira. Sie schüttelte müde den Kopf. "Ich muss noch Narum empfangen, vielleicht komme ich später wieder", sagte sie und umarmte den Schmied. Zum Abschied küsste sie seine Wange und ging hinaus. Sie fühlte Raos Anwesenheit, er war nur noch wenige Meter entfernt und würde bald landen.

Wenige Augenblicke später landete der Drache vor dem Eingang der Tempelanlage. Narum stieg ab, gefolgt von Maeva und Drewngard. Sie eilten über den Platz, durch alle Gärten, bis sie zur Treppe des Haupttempels kamen. Ran erhob sich und schluckte. War das wirklich Drewngard? Er sah Growndril verdammt ähnlich. Narum eilte voran und zog sie in seine Arme. "Was gibt's?", fragte Ran, die sich etwas zerquetscht vorkam. Er zeigte ihr seine Erinnerungen und sie scheuerte ihm eine Ohrfeige. "Siehst du, genau das ist der Grund, wieso wir uns nicht aktiv einmischen", knurrte sie. Er nickte nur und winkte Maeva heran. "Grüss bitte deine Lehrmeisterin", meinte er erschöpft zum Mädchen. Sie nickte und schlug mit ihrem Stab auf den Boden. "Reyla, ich fordere dich zu einem Duell auf", sagte sie eisern. Ran sah sie zuerst verdattert an, dann lachte sie schwach. "Einverstanden, aber zuerst muss ich noch etwas mit ihm da besprechen", meinte sie und nickte in Drewngards Richtung. Sie ging langsam und vorsichtig auf ihn zu. "Was soll das hier?", fragte sie zittrig und sah ihm in die Augen. Er schwieg. "Was hast du vor? Hast du eine Ahnung, wie unsinnig das ist?", fragte sie und ihre Stimme schien um eine Oktave nach oben verrutscht. "Hilfst du mir?", fragte er kühl. Sie biss sich auf die Unterlippe. "Du bist verrückt", flüsterte sie und zeigte ihm alles, was sie über Waffen und ihre Handhabung gelernt hatte.