Ran schniefte und beruhigte sich langsam wieder. Die Müdigkeit schien sie zu übermannen und ehe sie sich versah, wurde die Welt um sie herum schwarz. Doch diesmal beherrschten keine Träume ihren Schlaf. Nur Ruhe und Finsternis.

Am nächsten Morgen erwachte sie mit dem ersten Sonnenstrahl. Sie lag noch in Verays Armen, welcher noch tief und fest schlief. Behutsam rückte sie näher zu ihm und lehnte ihr Ohr an seine Brust. Sein Herz schlug stark und ruhig und diese Ruhe übertrug sich auf sie. Sie blieb liegen, bis er erwachte. Ohnehin hatte sie nichts zu tun.

"Nun gut", fing er an.
"Ich sah spätabends Licht in den Badehäusern und damit kein Feuer die Nacht durchbrannte, beschloss ich, nachzusehen, ob jemand dort war. Ich wollte niemanden stören, deshalb spähte ich durch das Schlüsselloch, nur um nicht hereinzuplatzen, falls doch jemand spätabends baden sollte. Dabei war es unmöglich, nichts zu sehen, natürlich.
Und dann sah ich die Hohepriesterin mit dem Dämonen, wie sie intim waren. Überall war Blut und die Hohepriesterin benutzte ihre Krallen, was dem Dämonen auch noch gefiel. Sie waren wie verwandelt, schrien und waren wie berauscht. Es war beängstigend", schloss er ab und sah Zorai an.

Zorai hatte die ganze Zeit mit verschränkten Händen dagesessen und zugehört. Bei Krallen hatte er eine Augenbraue heben müssen. Nun Ran hatte sicherlich recht scharfe Krallen, sie als Halbdrache, da konnte es sicherlich passieren, dass sie... Er wischte den Gedanken weg. "Und wieso habt ihr das im Tempel herum erzählt?", fragte er dann in neutralem Tonfall.

Die plötzliche Anklage ließ ihn aus dem Konzept kommen. "Das hab ich doch gar nicht! Ich habe es nur wenigen vertrauenswürdigen Priestern erzählt, weil dieser Skandal nicht geheim bleiben durfte!"

Zorai hob eine Augenbraue. "Ihr habt euch gerade selbst widersprochen und das im gleichen Satz", meinte er belustigt. "Und wieso seht ihr so etwas als Skandal an?"

"Weil eine Hohepriesterin nicht einfach mit Fremden solche Dinge auf heiligem Boden tun kann! Du siehst doch, was dann passiert! Sie sollen in den Wald gehen, wenn sie schon solcherlei Frevel ausüben müssen!"
Das mit dem Widerspruch überging er einfach. Er diskutierte da nicht. Nicht mit Zorai.
Er verschränkte wütend die Arme. Verstand diese Blindschleiche wirklich nicht, was daran so dramatisch war?
Er sah geradezu lässig und belustigt aus.

Zorai fand es noch amüsanter, dem Mann zuzusehen. Er schien sich wirklich über diese Geschichte mit Ran und Veray aufzuregen. Wieso wusste er nicht mit Sicherheit, aber er konnte es ahnen. "Nun, ich finde Verlobte sind einander nicht fremd. Aber da scheinen die Meinungen wohl auseinander zu gehen."

Er erstarrte.
"Die Hohepriesterin...verlobt?", stammelte er mit aufgerissenem Mund.
"Aber doch nicht etwa mit diesem...diesem fremden Schatten?"
Das war nicht möglich.

"So fremd ist er doch gar nicht", meinte Zorai. "Ran ist immerhin mit ihm aufgewachsen... Wollt ihr eigentlich etwas trinken?", fragte er, weil ihn Erinnerungen an alte Zeiten immer zur Flasche riefen.

"Ja, gerne", erwiderte er, ohne nachzudenken. Er war in Gedanken noch immer bei der Verlobung und geistesabwesend kratzte er sich am Kopf.
"Zusammen aufgewachsen? Aber...und fremd...also...er ist doch gar nicht von hier...und er hatte Ärger mit dem Schmied..."
Er stammelte nur noch vor sich hin, suchte nach Gründen, die Veray schlecht da stehen ließen.
Dann merkte er, dass ihm nichtsmehr einfiel.
Also blieb er einfach still sitzen und sah Zorai zu, wie er eine Flasche und Gläser aus einem Schrank hervorzauberte.
Vielleicht würde das ja helfen.