7. April
Er hatte einen halben Tag gebraucht um vom Gebirge bis in die Ebene herabzusteigen und das hatte ihn Zeit gekostet. Missgelaunt betrachtete der die Landschaft. Ab jetzt hatte er mit seinen Gazellenbeinen freie Fahrt. Aber erst Morgen. Er musste ausgeruht sein, wenn er schneller sein wollte. Es würde sich auszahlen, wenn er dann in drei Tagen Búrac erreichen konnte.
Als er sich umsah, bemerkte er eine große, schön gebaute Steinhütte, die zwischen den Felsen an einem kleinen Wäldchen vor den Bergen stand. Neugierig geworden und da er Hunger hatte und kein Lust, jetzt noch magisch jagen zu gehen, ging er auf sie zu.
Dort angekommen, schlich er in der Dämmerung vorsichtig an sie heran, drückte sich an die Hauswand und lauschte. Stimmen drangen aus einem Fenster und das Klappern von Besteck und Tellern. Es klang nach Abendessen. Er schlich weiter, bis er unter dem Fenster saß, dann überlegte er, wie er hineinblicken konnte, ohne gesehen zu werden.
Da kam ihm eine Idee. Er ließ Luftfeuchte in ein bestimmtes Stück Luft knapp vor und über ihm wandern, dann formte er das Wasser so an, dass es einen Spiegel bildete, den man kaum sehen konnte. Schon gar nicht von innen, da von hier das Licht kam.
Als der Spiegel fertig war, sah er zwei Dämonen an einem Tisch sitzen und erstarrte. Die Frau kannte er nicht, aber der Mann war ganz klar Sharin. Das erkannte er auch nach mehreren Jahren. Shagans Cousin, den er beim Angriff auf Búrac geschützt hatte. Er lebte noch und das machte ihn ein wenig stolz.
Dann bemerkte er die beiden Babys, die die Frau und Sharin auf dem Schoß hatten.
Die Familie Daranshen hatte also neue Nachkommen. Das war interessant.
Zarkun beschloss nichts zu stehlen. Sharin hatte stets etwas mit ihm geteilt. Abneigung gegenüber Shagan!
Er wanderte an der Wand entlang und entfernte sich schließlich leise vom Haus. Er würde sich woanders einen Schlafplatz suchen.
And he wondered...how can I protect something so perfect without evil?

Anfang Mai 308
Neshatar und Livaleth hatten schließlich ein kleines Schattendorf südöstlich von Drez gefunden, wo sie in einer Gasthütte verweilen durften. Das Dorf lag klein und idyllisch an einem kleinen Bergsee, umgeben von Bergen und die Hütten waren so am Hang entlang angeordnet, dass eine Serpentinenstraße vom Seeufer bis zu den höchsten Hütten verlief. Dazwischen lagen Gärten an den Berghängen oder Trampelpfade, die gerade hinab führten. Kinder spielten am Hang fangen, die Frauen wuschen Kleidung am See mit Waschbrettern und Zubern, Männer hackten Holz oder kamen von der Jagd zurück, kurz, es war das normale Leben in kleinen Dörfern.
Sie durften hier bleiben, wenn sie keinen Ärger bereiteten und sich an allgemeinen Arbeiten beteiligten. Essen bekamen sie nicht einfach so, sie mussten helfen. Und Livaleth wurde oft schräg angeguckt und manche warfen ihr gar böse Blicke zu, da sie ein Mensch war, aber ansonsten wurden sie gut aufgenommen.
Neshatar, der sich inzwischen wieder erholt hatte und nur noch etwas schwach und abgemagert war, half beim Reparieren der Hütten, Fischen, Schreinern und anderen Arbeiten um die Mahlzeiten und das Leben zu finanzieren. Er arbeitete, dafür bekamen sie von den anderen, was sie brauchten. Es war ein einfacher Tausch und sehr gütig von den Dorfbewohnern, die sie einfach mitversorgten. Jeder half jedem hier, es war ein Zusammenhalt.
Livaleth dagegen half den Frauen beim Nähen, Weben, Waschen und Kochen, so gut sie konnte.
Ihre Magie hielten die Beiden versteckt, es war nicht gut, wenn jemand davon wusste.
Zumal die Dorfbewohner nur auf den ersten Blick wie friedliche Bauerntölpel wirkten. Die Jugendlichen wurden im Kampf trainiert, jeder Haushalt besaß Waffen und Wandmalereien zeugten davon, dass sie die Rituale ihres Volkes sehr ernst nahmen und auch blutige Rituale dazugehörten.
Es waren nun einmal Schattendämonen und keine Menschen, aber dennoch ging es hier friedlicher zu als in manch anderen Dämonensiedlungen.
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Mai 308
Ein junges Schattenmädchen pirschte sich leise an den Geschichtenerzähler ran. In der Hand hielt sie einen entrindeten Stock. Als sie sicher war nahe genug zu sein stürmte sie los und stach zu. Klackend traf Holz auf Holz. Biredh trat einen Schritt zur Seite und verpasste ihr einen Klaps auf die Kehrseite, als sie von ihrem eigenen Schwung getragen, an ihm vorbeitaumelte.
"Hey!" Sie fuhr herum, doch bevor sie sich auch nur halbwegs gedreht hatte, stiess ihr der Geschichtenerzähler den Stock gegen die Rippen. Idril stolperte über einen Stein und landete unsanft auf dem Hosenboden. Grummelnd warf sie den Stock zur Seite. "Wie kannst du das nur?", fragte sie wütend, "Du hast keine Augen und trotzdem treffe ich dich nie."
"Du gibst Laute von dir. Deine Kleider rascheln, du atmest, die Luft zischt um deinen Stock wenn du mich zu treffen versuchst, das Gras raschelt unter deinen Füssen oder das Kies knirscht. Es gibt dutzende von Kleinigkeiten, die dich verraten.", erwiderte er und stützte sich wieder auf seinen Blindenstock. "Du machst aber schon Fortschritte. Formore war dir ein guter Lehrer, was die Grundlagen angeht, aber falls du auf andere Dämonenkinder treffen wirst, wirst du ihnen dennoch unterlegen sein, trotz deines Körpers."
Idril stiess ärgerlich die Luft aus und stand auf. Die Amarok waren jagen gegangen und ihr Adler kreiste über ihnen. Sie hatte begonnen zu versuchen ihm die Jagd beizubringen. Es klappte nur halbwegs. Der Greifvogel frass noch immer einen Teil der Beute selber und das was er ihr brachte war so zerhackt, dass sie kaum mehr erkennen konnte was es einmal gewesen war.

Idril hatte sich ans Feuer zurückgezogen und schmollte. Sie war sich sicher, dass Biredh einen Trick anwandte, den sie nicht kannte. Missmutig betrachtete sie ihre blauen Flecken und stocherte gelangweilt mit einem Stock im Feuer herum. "Wir werden morgen Abend in ein kleines Dorf südlich von hier gehen und dort frische Vorräte kaufen. Vielleicht bleiben wir für eine Weile auch dort, es wird sehr auf den Empfang, den sie uns bereiten ankommen." Der Geschichtenerzähler setzte sich auf einen Stein Idril gegenüber und blickte sie mit seinen leeren Augenhöhlen an. Biredh hatte jetzt ebenfalls das schwarze Haar und die helle Haut eines Schattens und er sah deutlich jünger aus. Wie ein Dämon der den Zenit seiner Kraft bald verlassen würde, doch noch jung genug war um jemandem einen guten Kampf zu geben, wenn man mal von seinen Augen absah.
"Wenn du mit dem schmollen aufgehört hast, kannst du mir nochmals erzählen was ich dir über die Traditionen der Schatten erzählt habe.", forderte er sie auf.
Widerwillig begann Idril über die Kinderläufe, Severjakza, Rachary und das Clanwesen zu erzählen. Die Bräuche hatten sie schon interessiert, doch der Geschichtenerzähler hatte auch darauf bestanden, dass sie sich die Clannamen merkte und auch sonst jedes kleinste Detail auswendig kennen musste. So war ihr anfänglicher Lerneifer allmählich Frustration gewichen.

Am nächsten Nachmittag erreichten sie dann das kleine Dorf. Sie ernteten einige neugierige Blicke, doch man liess sie zufrieden, als sie erkannten, dass von ihnen keinerlei Gefahr ausging. Die Amarok hielten sich von dem Dorf fern und waren in einem kleinen Wäldchen geblieben. Ein paar Kinder forderten Idril auf bei einem Spiel mitzumachen und nachdem Biredh sie mit einem Wink erlaubt hatte zu gehen, folgte sie den anderen Kindern zu den Berghängen.
Der Geschichtenerzähler suchte ein kleines Gasthaus auf und setzte sich vor dem Gebäude auf eine alte Holzbank. Die Sonne schien warm vom Himmel und er lauschte den bedächtigen Geräuschen aus dem Alltagsleben der Dorfbewohner. Er würde sich ein wenig später nach einer Bleibe umsehen. Zuerst musste er sich einmal ausruhen.

Pard hatte die Zeit in den Bergen genossen, hatte alles gefunden was er brauchte und seinen Lehrmeister besucht. Sich einen Wolf nennen widerstrebte ihm, denn er musste zurück. Zurück nach Drez, zurück nach Lovit.
Er beschloss sich neue Kleidung, ein Reittier und Waffen, sowie Arztbesteck in einem nahen Dorf zu besorgen. Ams späten Abend, als die Sonne untergegangen war, erreichte er es dann. Er trug einen Bart, kleidung aus Pelz und Leder und sah doch nicht zum Fürchteb aus. Eher wie ein stolzer Lord.
some men just want to see the world burn

Als die Kinder den Neuankömmling sahen, war ihr Spiel sofort vergessen. Leise schlichen sie den Hang hinunter und rannten von Fels zu Fels oder versteckten sich hinter Büschen um den Mann zu beobachten. Dabei war ihr Lachen nicht wirklich unauffällig und hin und wieder hörte man jemanden stolpern oder das zerbrechen eines trockenen Astes. Der Mann wirkte reich. Einer der Jungen knuffte Idril leicht in die Seite.
"Kennst du den?", fragte er sie neugierig.
"Nein, nicht wirklich doch er kommt mir irgendwie bekannt vor.", sagte sie und runzelte die Stirn, als sie den Mann betrachtete.
"Bist du dir sicher? Es kommen nicht gerade oft Fremde hier durch, weisst du! Und ihr seid kaum eine Stunde hier und schon tauchte der nächste auf.", bohrte er nach.
"Nein, ich kenne ihn nicht. Mir ist auch nicht aufgefallen, dass er uns gefolgt ist.", gab sie zurück. Der Junge nicke schliesslich und lief dann weiter zum nächsten Stein. Idril folgte ihm geduckt. Als der Mann ins Dorf eintrat, rannten sämtliche Kinder zu den Häusern. Idril erwischte einen Platz an der Ecke und lugte hervor. Während die anderen sie aufgeregt fragte, was der Mann gerade tat.
(Idril hat Pard ein paar mal in Lovit gesehen, doch sie erkennt ihn wegen des Bartes nicht)

Wenige Tage später kam es zum ersten Mal zu Problemen wegen Livaleth.
Bisher hatten sie friedlich und dafür, dass sie Fremde waren, auch sehr schön hier leben können, was eine vor allem psychische Erholung war nach den Torturen der Wüste. Sie hatten sich gänzlich erholt und das ruhige Dorfleben genossen. Aber Livaleth war nunmal ein Mensch und das sah man ihr auch an.
Und wie erwähnt, wenige Tage später, als sie nach getaner Arbeit zum See hinunterliefen, schubste jemand Livaleth absichtlich mit der Schulter so grob, dass sie zu Boden stürzte und sich gerade noch auffangen konnte.
"Hey, pass doch auf!", sagte Neshatar mit fester Stimme. Er war zwar ein Fremder, aber seine Magie verlieh ihm ein starkes Selbstvertrauen, dass er sonst niemals gehabt hätte, zumal der Schatten viel breiter gebaut war als er und deutlich muskulöser war.
"Was willst DU den, du Pimf? Deine kleine Freundin verteidigen? Die Menschenhure? Pass mal lieber auf, du bist nur ein Fremder! Also kusch dich oder ich polier dir die Schnauze! Sei froh, dass der Dorfvorstand euch noch duldet. Normalerweise werden Menschenschweine wie sie andernorts abgestochen!", sagte er mit rauer, tiefer Stimme.
Mit diesen Worten spuckte er ihnen vor die Füße und starrte Neshatar an.
Dieser blieb zögerlich stehen. Er wollte vor Livaleth nicht wie ein Feigling dastehen, aber wenn er Ärger machen würde, wäre es für sie nur problematischer. Also blieb er einfach stehen und schaute den Schatten wütend an.
Dieser drehte sich schließlich mit verächtlichem Blick ab, murmelte Blutsverräter und ging von dannen.
Neshatar stand dumm da, neben Livaleth, die sich aufrappelte. Er hätte sie verteidigen sollen. Nichtmal aufgeholfen hatte er ihr vor Wut auf den Schatten.
Er fühle sich wie ein Versager, obwohl er das ganze Dorf hätte vernichten können. Aber dann? Hätten sie obdachlos weiter umherziehen müssen.
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Pard hatte die Kinder bemerkt und ignorierte sie. Er hatte keine Lust sich auf irgendwelche Splielchen kleiner Rotzmäuler einzulassen. Ein Raunen war durch die Berge gegangen. Es hiess, dass bald ein Krieg ausbrechen würde, den Drez seit Jahrhunderten nicht mehr gesehen hätte. Ein Krieg zwischen Sardak und der Schwarzen Festung, was viele andere Clans mit sich reissen würde. Er wollte nicht zu spät ankommen, nicht das ganze verpassen. Er wollte nicht mitmischen, nicht mitkämpfen, doch wollte seine Pflicht als Arzt erfüllen.
Er ging direkt zu den Stallungen eines befreundeten Clans, grüsste den Mann, welcher dort gerade die Tiere versorgte, wechselte einige Worte mit ihm und kaufte ein Pferd, dann ging er weiter, holte sich in einem Wirtshaus Proviant, ging zu den Nähern, bestellte sich Kleidung, bei den Schmieden einen neuen Säbel und Messer und kehrte wieder ins Wirtshaus zurück, wo er sich ein Zimmer mietete und sofort schlafen legte. Es würde noch eine Weile dauern, bis alles bereit war und bis dahin würde er sich ausruhen und Informationen sammeln. Es hiess, dass einige Kinder und Erwachsene krank geworden waren und man freute sich im Dorf einen Arzt und Heiler begrüssen zu dürfen. Im Gegenzug würde man ihm wahrscheinlich jeden Wunsch von den Lippen ablesen. Er kannte das Spiel. Dämonen täten alles um dem unehrenvollen Tod durch Krankheit zu entgehen.
Was Pard nicht interessierte, waren die Kinder, welche ihm auf Schritt und Tritt folgten, jede seiner Handlungen aufmerksam und neugierig beobachteten und dachten dabei unentdeckt geblieben zu sein. Doch dem Mann waren sie schlichtweg egal, solange sie Abstand zu ihm hielten.
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Als der Mann im Wirtshaus verschwand, rief Biredh nach Idril und sie verabschiedete sich von ihren Spielkameraden. Die Sonne war am untergehen und nach einem raschem Abendessen gingen sie ebenfalls auf ihr Zimmer. Das Mädchen musste noch einmal die Traditionen der Dämonen vortragen, bevor auch ihr erlaubt wurde unter die Decken zu kriechen. Satt und zufrieden kuschelte sie sich zurecht und schloss die Augen.
Biredh setzte sich währenddessen an den Tisch und blickte mit seinen blinden Augen aus dem Fenster raus. Ein paar Erwachsene und Halbwüchsige trieben sich noch herum, doch nach und nach verschwanden auch sie entweder im Wirtshaus oder in den umliegenden Häusern.

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