Eine Stunde später begleitete Dayana den Lehrling in den Krankentrakt. Sie batte es leicht übertrieben und wirklich jede Gelegenheit genutzt, die ihr der Junge geboten hatte. Somit war er grün und blau geschlagen, mit einigen gebrochenen Rippen und einem ausgerenktem Arm durchgefallen. Sie hatte einerseits ein schlechtes Gewissen, andererseits war sie froh, dass er keinem Gegner begegnet war, der ihn hätte umbringen wollen.
Als sie ihn zur Krankenschwester gebracht hatte ging sie sie hinaus aus den Hauptgebäude, ihre Glieder ausstrecken. Die unteren Gemäuer waren nicht ihr Ding, denn sie waren so düster und trist, dass sie am liebsten fkiehen wollte, jedesmal wenn sie dort unten war. Sie fragte sich woran dies lag. An iher Ausbildung, der Dunkelheit, dem Tod ihrer Tochter vielleicht? Sie kannte die Antwort nicht und wollte sie auch nicht kennen.

Die friedliche Szene wurde abrupt unterbrochen als sich ein grosser Raubvogel aus dem Himmel stürzte und einen der grösseren Singvögel packte. Die restlichen Vögel flogen schrille Warnpfiffe ausstossend davon. Idril fuhr erschrocken zusammen, betrachtete den Vogel aber mit grossen Interesse. Mit seinem kräftigen Schnabel rupfte er Fleisch aus dem toten Singvogel. Der Adler schien noch jung zu sein, doch er war jetzt schon fast halb so gross wie das Elfenmädchen.
"Das ist eine Harpyie.", sagte der Elf hinter ihr. "Sie leben hier in den Wäldern, aber auch in anderen Gebieten Dreitans."
"Eine Harpyie.", flüsterte sie und streckte vorsichtig eine Hand nach dem Tier aus. Die Harpyie beäugte sie misstrauisch, als ob er befürchtete, dass sie vorhatte ihm seine Beute streitig zu machen. Als sie ihm dann aber vorsichtig mit zwei Fingern über die Brustfedern strich, wandte er seine Aufmerksamkeit wieder seiner Beute zu. Der Singvogel, obschon er einer der grösseren war, war nach ein paar Bissen vertilgt. Idril schloss die Augen und streckte ihren Geist nach dem des Vogels aus. Sofort nahm sie einen bohrenden Hunger war. "Du armer. Das war deine erste Beute seit längerer Zeit, oder?", murmelte sie leise und kraulte den Adler hinten am Nacken. Dieser schien es zu geniessen, denn er drückte sich fester gegen ihre Finger. "Kannst du mir dein Hemd ausleihen?", fragte Idril den Elfen hinter ihr.
"Ähm... na gut, aber wenn dir kalt ist, können wir auch reingehen.", schlug dieser vor.
Das Mädchen war aber so von dem Vogel abgelenkt, dass sie ihn gar nicht hörte. Sie wickelte sich das Lederwams des Elfen um den Arm und forderte den Vogel mit dem Versprechen von einer warmen Mahlzeit auf, sich auf ihren Arm zu begeben. Ohne zu zögern hüpfte der grosse Greifvogel auf den dargebotenen Arm und Idril versuchte ihn in die Höhe zu stemmen. Sie schwankte einen kurzen Augenblick, dann stabilisierte sie ihren rechten Arm mit dem Linken und begab sich wieder hinein ins Gebäude. Der Elf war so verdutzt darüber, dass der Vogel sich dies anstandslos gefallen liess, dass er ihr für einige Sekunden lediglich hinterherstarrte. Als sie wieder in den Gang trat, lief sie fast in einen Dämonen hinein. Stolpernd hielt knapp vor ihm an und murmelte eine Entschuldigung, erntete jedoch nichts als einen finsteren Blick. Plötzlich hob der Raubvogel die Schnwanzfedern und bevor Idril ihn daran hindern konnte, schiss er dem Dämonen ans Bein.

(der Vogel sieht so aus wie eine Harpyie, eine grosse Raubvogelart die beim Orinoco lebt)

Karim fluchte. "Sag deiner Herrin, sie soll das Biest an die Leine nehmen", fauchte Karim den Elfen an. "Ausserdem brauchen wir noch mehr Prüfer. Sag Dayana dass ich damit mehr von euch Quatzioa meine."
Hastig wishte er sich den Vogelkot vom Stiefel und stapfte weiter hinauf, setzte sich auf eine der Bänke und scheuchte fen Elfen davon, welcher ihn nur verdutzt angesehen hatte.

(Wie gross ist der Zeitunterschied zwischen hier und Drez?)

Idril verzog sich schleunigst auf Dayanas Zimmer, froh dass sie keine Schwierigkeiten bekommen hatte. Sie platzierte den Raubvogel auf ein Fenstersims und lief dann hinunter in die Küche um zu sehen ob sie dem Koch vielleicht ein Stück rohes Fleisch abschwatzen konnte. Es war nicht weiter schwierig. Ziemlich zufrieden mit sich selbst, lief sie sie wieder hoch und legte ein grosszügiges Stück Fleisch vor dem Vogel hin, worüber sich dieser sofort hermachte.

(keine ahnung. Ich dachte wir hätten hier in etwa so Mitte oder Ende April)

Missmutig über Karims Anforderungen schickte sie den elfen weiter, einige der Quatzioa als Prüfer einzustellen. Der Elf nickte und verschwand und Dayana sah hoch zum Dach.
Karim begann den Brief an Ran, schrieb einige kurze Sätze, verstaute das Schreiben versiegelt und verpackt in einen Lederbehälter. Er stiess einen schrillen Pfiff aus und ein weisser Rabe kam herbei geflogen. Er band das Lederetui auf den Rabenrücken und gab dem Vogel einen Frosch. Der Rabe verschlang ihn und flog davon. Frosch hiess Drez, Schwarze Festung. Das wusste der Rabe, denn er wurde nur zwischen Heimat-alles-mögliche-Essen, Drez-Schwarze-Festung-Frosch und Lovit-Voliere-Maus geschickt.

Am nächsten Morgen bekam Dayana die Nachricht, sich um Azura und die Schüler zu kümmern. Der gesamte Clan Verdezia - insgesamt dreißig Leute, die sich in Azura aufhielten - ob gross oder klein, jung oder alt, verliessen das Dorf. Sie sattelten die Pferde und ritten mit Waffen und Opfergaben beladen den Flusslauf hinauf, hinein in die Verfluchten Wälder.

Idril hatte den Zug beobachtet der das Dorf verliess. Es war wesentlich ruhiger geworden. Ihr war langweilig. Der Adler kehrte regelmässig zurück und sie fütterte ihn um sein Vertrauen zu gewinnen, doch viel mehr gab es für sie nicht zu tun. Sie hatte die Teile des Gebäudes erkundigt in die sie hatte hinein gehen dürfen. Die paar Tage Ruhe, die sie sich gegönnt hatte, hatten das übrige getan und sie war dementsprechend voller Energie. Sie übte sich im Flötenspiel und machte auch die geistigen Übungen, die ihr Narum gezeigt hatte. Doch sie vermisste es sich körperlich auszutoben.

Idril sass auf der Treppe, die zum Hauptgebäude hochführte, und blickte gelangweilt in das Dorf hinunter. Versonnen spielte sie mit einem der Etuis herum. Sie war neugierig auf dessen Inhalt, doch sie hatte Biredh versprochen keinen Blick hineinzuwerfen. Sie hörte nicht die leisen Schritte, die sich ihr näherten. Als ein Schatten auf ihr fiel, blickte sie hoch. Ein Junge, der etwa in ihrem Alter war, stand vor ihr und blickte sie neugierig an.
"Was ist da drin?", fragte er.
"Ich weiss es nicht. Biredh hat gesagt, dass ich das Etui nur öffnen darf wenn ich Angst habe.", erwiderte Idril wahrheitsgemäss.
"Du trägst es also immer mit dir rum und hast noch nie reingeschaut?"
Das Mädchen schüttelte den Kopf und rückte automatisch ein Stück von dem Jungen weg. Etwas an seiner Art gefiel ihr nicht.
"Stimmt es dass Narum dein Lehrmeister ist?", fragte er weiter.
Wieder nickte sie und fragte sich worauf der Junge überhaupt raus wollte.
"Ich würde gerne sehen, was du von einem der Götter des Chaos gelernt hast." Er grinste. "Steh schon auf und zeig was du drauf hast.", forderte er sie auf. Sie schüttelte den Kopf und stand auf um wegzugehen. Der Junge wollte nur mit ihr kämpfen und da würde sie ganz sicher den Kürzeren ziehen.
"Ich habe nicht zu kämpfen gelernt. Er hat mir nur ein wenig Magie beigebracht.", erwiderte sie vorsichtig.
Der Junge legte den Kopf schräg. "Ich habe schon gesehen, dass du ein Händchen für Tiere hast, aber mehr nicht. Ausserdem bist du zu klein um schon richtige Magie zu wirken.", behauptete er hochnäsig.
Das konnte das Elfenmädchen nicht auf sich sitzen lassen. Sie streckte ihren Geist nach dem des Vogels auf und stiess gleichzeitig einen schrillen Pfiff aus. Dann wickelte sie schnell ihr Wams um ihren Unterarm. Im nächsten Moment flatterte der grosse Greifvogel zu ihr runter und landete auf ihrem Arm. Sie spürte seine scharfen Krallen durch die dicken Stoffschichten. Stolz das es geklappt hatte, blickte sie den Jungen wieder an. Sein arrogantes Lächeln wankte nicht einmal. "Genau wie ich gesagt habe. Ein Händchen für Tiere, mehr nicht. Wenn Narum dich wirklich unterrichtet, dann ist seine Zeit an dir verschwendet." Plötzlich trat er einen Schritt nach vorne und schnappte sich einer der Etuis.
Idril knirschte mit den Zähnen und liess den Vogel wieder davonfliegen. "Gib das wieder her!", knurrte sie. Zorn kochte in ihr hoch, doch sie beherrschte sich. Sie durfte sich nicht dazu hinreissen lassen, den Jungen zu treten, oder er würde sie sicher verdreschen, doch sie wollte das Etui wiederhaben. Der Junge beobachtete ihre Bewegungen genau, als ob er erwartete, dass sie etwas spezielles tun würde. Da erinnerte sie sich an die Flöte, die Biredh ihr gegeben hatte. "Spiel auf sie wenn du wütend bist.", hatte er gesagt. Nun war sie wütend. Sie holte das Etui hervor und öffnete es. Sie würde es diesem Jungen zeigen. Eine Flöte aus einem sonderbaren rötlichem Material lag dort drin eingebettet. Das komplizierte Muster aus dunkleren Schlieren schien sich immer wieder zu verändern. Sie steckte das Etui wieder in den Gürtel und hob die Flöte an die Lippen. Instinktiv bewegte sie ihre Finger über die Löcher, bis sie sich sicher war, dass sie den richtigen Anfangston spielen würde. Sie holte tief Luft und begann zu spielen. Ohne nachzudenken liess sie ihre Finger über das Instrument fliegen. Auf einmal schien der Boden sich unter dem Jungen zu verflüssigen und er sank innert einer Sekunde bis zum Brustkorb im Stein ein. Mit einem erschrockenen Schrei liess er das Etui fallen und versuchte sich hochzustemmen, doch seine Hände sanken ebenfalls ein.
Idril brach das Lied abrupt ab und trat einen wankenden Schritt auf den Jungen zu. "Von wegen ich kann keine Magie.", grinste sie schielend. Sie bückte sich nach dem fallengelassenen Etui, hob es hoch und steckte es in ihren Gürtel, bevor sie die rote Flöte wieder verstaute. Irgendwie fühlte sie sich nicht so gut. Ihr war schwindlig und sie sah alles doppelt. Sie schaffte es noch einen letzten unsicheren Schritt zu machen, bevor sie zu Boden krachte und das Bewusstsein verlor.

(jeder der das Lied gehört hat und auf Stein gestanden ist, ist ebenfalls eingesunken. Niemand wird durch diesen Zauber verletzt)

Der Elf fluchte als der Steinboden unter ihm sich in Wasser zu verwandelt haben schien, sobald das Lied erklang. Er sank in Windeseile bis zu den Knien ein, dann retteten ihn aber seine schnellen Reflexe. Er stützte sich mit den Händen auf einen hölzernen Türrahmen ab und stemmte sich in die Höhe. In der nächsten Sekunde war der Boden wieder normal. Immer noch misstrauisch berührte er den Boden für einen kurzen Moment mit dem Fuss um sich von dessen Festigkeit zu überzeugen.
Der Zauber war zusammen mit dem Lied abgebrochen worden. Er ging nach draussen und sah, dass er nicht der einzige gewesen war, der dem Ursprung des Zaubers auf den Grund gehen wollte. Als er aus dem Hauptausgang raus trat, sah er zwei weitere Assassinen, die neben einem Jungen knieten, der bis zu den Schultern eingesunken war. Idril lag bewegungslos auf dem Boden. Einer der Assassinen wirkte einen Zauber und holte den Jungen aus dem Boden heraus, dann erzählte er dem Elfen, was er gesehen hatte. Dieser nickte lediglich, hob das Mädchen hoch und warf sie sich über die Schulter. Sollte Dayana sich damit befassen. Er würde sie auf ihr Zimmer bringen und ins Bett stecken. Dann wäre die Sache für ihn erledigt.

Als der Elfihr Bericht erstattete war Dayana überhaupt nicht begeistert von dem, was sie hörte und scheuchte ihn fort. Jetzt da Karim weg war, fiel ein Teil seiner Arbeit auf ihren Dokumentenstapel. Sie hatte ohnehin genug zu tun und regeln gehabt. Müde rieb sie sich die Augen und ging dann in Idrils Zimmer.