Idril konnte ihren erleichterten Seufzer fast nicht unterdrücken. Sie würde keine Prügel beziehen, alles was sie tun musste war sich zu entschuldigen. Sie sprang auf die Füsse und taumelte unwillkürlich. Sie war noch immer völlig entkräftet von dem Zauber, den sie gewirkt hatte. "Ich geh dann gleich.", sagte sie folgsam und lief Richtung Türe los.

"Idril", sagte Dayana streng und das Mädchen blieb stehen. "Ich erwarte von dir, dass du ab jetzt gut nachdenkst, bevor du Magie anwendest. Das nächste Mal, wenn so etwas passiert, wird es Konsequenzen haben."

"Okay. Ich werde es versuchen.", murmelte sie, warf Dayana dann noch einen letzten Blick zu und floh dann aus dem Zimmer. Sie fragte sich zu dem Jungen durch und entschuldigte sich in ihrem reumütigsten Tonfall bei ihm. Ein Teil von ihr bedauerte wirklich, das was passiert war, doch der weitaus grössere Teil fand, dass er es bis zu einem gewissen Grad verdient hatte im Boden versenkt zu werden. Vielleicht nicht gerade bis zu den Schultern, bis zu den Knien oder Hüften hätte eigentlich auf gereicht.

Der Junge blickte sie nur wütend an als sie ins Zimmer trat. Er fühlte sich offensichtlich gedemütigt von einem deutlich jüngeren und schwächeren Mädchen besiegt worden zu sein. Auch wenn sie Magie benutzt hatte. Idril blickte sich, doch niemand sonst war in dem Zimmer. "Es tut mir leid, dass ich dich im Boden versenkt habe, aber du hättest mir nicht eines der Etuis stehlen sollen.", sagte sie mit einigermassen neutraler Stimme.
"Das ist keine angemessene Entschuldigung für dein Vergehen.", brauste der Junge auf. "Du hättest mich nicht mit Magie angreifen dürfen. Es gibt tausende andere Wege so ein blödes Etui zurückzuholen."
"Hey! Ich wollte mich bei dir entschuldigen, aber wenn du zu dumm bist sie anzunehmen, dann lass es. Ich wusste keinen anderen Weg. Ich kann nicht kämpfen.", erwiderte sie hitzig.
Der Junge trat auf sie zu und nutzte seine Körperlänge um verächtlich auf sie niederzublicken. "Ich bin immer noch der Meinung, dass Narum bei dir seine Zeit verschwendet. Du hast keinerlei Selbstkontrolle und bist schwach."
Zorn glühte heiss in Idrils Brust und sie ballte ihre kleinen Hände zu Fäuste. "Ich habe sehr viel von ihm gelernt und er verschwendet seine Zeit nicht an mir.", knurrte sie mit mühsam beherrschter Stimme. "Du bist nur neidisch, weil du selbst keine Magie beherrschst."
"Einen Nichtmagier mit Magie anzugreifen ist feige und ich bin nicht auf dich neidisch. Was sollte ich mit einem zu gross gewachsenem Huhn schon machen wollen?", fügte er hämisch hinzu. Bei dem letzten Kommentar platzte Idril der Kragen und sie versuchte ihm kräftig vors Schienbein zu treten. Der Junge sah den Angriff aber kommen und schubste sie einfach um. Ein wenig überrascht über den plötzlichen Sturz sah Idril nicht einmal die Ohrfeige kommen. Den brennenden Schmerz spürte sie aber nur zu deutlich. Mit einem Knurren, das beängstigend an das eines Amaroks erinnerte stürzte sie sich auf ihn. Der Junge packte sie am Arm und nutzte den Schwung des Mädchens um sie über die Schulter auf den Boden zu werfen. Der Aufprall trieb Idril sämtliche Luft aus den Lungen und sie blieb japsend liegend. Er nutzte den Augenblick und schnappte sich wieder eines der Etuis.
"Und ist das etwa nicht feige? Du weisst, dass ich keine Chance gegen dich habe und trotzdem klaust du mir meine Etuis.", keuchte sie und rappelte sich wieder hoch. "Jetzt gib es wieder her, oder...."
"Oder was?", lachte er. "Du hast ja selbst gesagt du hättest keine Chance." Ohne ein weiteres Wort stürmte Idril auf ihn los, doch er packte sie lediglich am Kopf und hielt sie von sich fern, während sie versuchte ihn zu schlagen. "Siehst du. Du bist eine reine Verschwe...." Der Rest des Satzes ging in einem spitzen Schrei unter, als Idril ihre Zähne in seinem Daumenballen versenkte. Mit einem Fluch verpasste er ihr eine schallende Ohrfeige und sie trat gleichzeitig nach ihm. Sie traf ihn an einer sehr empfindlichen Stelle, doch das aus purem Glück. Mit einem Jaulen ging er in die Knie und sie liess seine Hand los. Schnell schnappte sie sich ihr Etui und wollte schon wieder auf den Jungen losgehen, als sie eine kräftige Hand im Nacken packte und sie so lange durchschüttelte bis ihre Zähne klapperten. "Du scheinst nicht zu wissen, wann du aufhören sollst.", brummte eine Stimme verdrossen.

"Orn!", ermahnte die Mutter des Jungen ihren Sohn und packte ihn am Ohr. "Wass soll das? Was denkst du wer du bist!? Was wird dein Vater dazu sagen? Und der Clan?"
Währendessen stürmte Dayana aus dem Haus zum Elfen, der Idril gepackt hatte. "Du solltest dich entschuldigen, nicht prügeln!", ermahnte sie das Mädchen.
"Ich will mit dir sprechen, Dayana. Sofort", tönte Danweys Stimme hinter dem Rücken der Elfe.

Idril war noch immer so wütend, dass sie keine Antwort auf Dayanas Ermahnung raus brachte. Stattdessen versuchte sie sich aus dem Griff des Elfen zu winden, der sie gepackt hielt. Er schüttelte sie einfach noch einmal und nachher war ihr so schwindlig, dass sie stillhielt. "Geht doch.", brummte der Elf und stellte sie auf den Boden. Wütend verschränkte sie die Arme und blickte dann zu Dayana hoch. "Er wollte meine Entschuldigung nicht akzeptieren."

"Das spielt keine Rolle!", brauste Dayana auf. "Du solltest dich entschuldigen! Und ob er es akzeptiert oder nicht ist nicht dein Problem!"
"Orn, was hast du gemacht?", fragte die Mutter und sah ihren Sohn streng an.
"Dayana!", ermahnte Danwey.
"Was ist?", zischte sie. "Komm mit. Bitte", sagte Danwey ruhig. "Gut. Wehe ihr prügelt euch wieder!", sagte sie an die beiden Kinder gewandt und folgte dann Danwey. Dann kehrte sie nah einigen Minuten zurück und Danwey galoppierte aus der Stadt davon.

"Ich habe lediglich gesagt, dass ihre Entschuldigung keine richtige war. Sie hat gesagt ich sei selbst schuld.", erwiderte Orn.
"Das ist nicht wahr. Ich sagte, du hättest mir meine Etuis nicht klauen sollen, dann hätte ich dich nicht im Boden versenkt."
"Das ist dasselbe.", entgegnete Orn schnippisch und verzog das Gesicht, als seine Mutter den Zug an seinem Ohr verstärkte.
"Das stimmt nicht, du verfluchter...." Sie jaulte auf, als sich plötzlich ihr Ohr in einem zangenähnlichen Griff befand. "Lass los. Mein Ohr ist doch keine Ziehharmonika."
"Töne gibst du aber von dir.", entgegnete der Elf trocken.

"Seid still! Alle beide!", mischte sich Dayana ein. "Orn, weil du gestohlen hast und jemand jüngeres gequält, wirst du drei Tage lang im Lagerhaus aushelfen. Und du Idril", sie wandte sich an das Mädchen, "Du wirst entweder nach Drez zu Randreyah oder zurück zu Narum nach Donsoha gebracht. Ich kann nicht die Verantwortung für dich und deine Unüberlegtheiten übernehmen. Du bist Narums Schülerin."

Geschockt starrte Idril zu Dayana hoch. Sie war augenblicklich ruhig geworden, als sie ihr Urteil gehört hatte. Sie hatte gedacht Dayana sei ihre Freundin. Sie hatte nicht gewollt, dass das alles passiert. Ihr Blick verschwamm und wenig später rannen ihr dicke Tränen übers Gesicht. Verschämt senkte sie den Kopf und versuchte erfolglos die Schluchzer zu unterdrücken. "Ich wollte es nicht. Es tut mir leid." schniefte sie mit tränenerstickter Stimme. "Ich... ich..." Sie brach ab und stand verloren im Zimmer da, während die Tränen langsam ihren Weg über ihre Wangen suchte.