Drewngard schnaubte amüsiert. "Nein... Sieh mal, Eiswolke und jedes andere Tier, das in Gefangenschaft lebt, wird nicht als fühlendes Wesen von den Völkern erachtet, sondern als Eigentum, als Sache. Und wenn wir sie befreien, tun wir in den Augen der Menschen, Elfen, Zwerge und Dämonen nichts ehrenhaftes sondern etwas verbotenes. Es gilt als Diebstahl, als Verbrechen", erklärte er ihr in Gedanken, weil er langsam wirklich fürchtete entdeckt zu werden." Das Problem dabei ist nicht, dass ich dir davon abraten will, etwas verbotenes zu tun, weil es sich nicht gehört, sondern weil man uns dann verfolgen wird. Man wird uns als Verbrecher suchen und das würde die Aufmerksamkeit der Schwarzmagier auf uns ziehen... Also überlege dir jetzt gut was und wie du es tun willst, Idril, und was die Konsequenzen deines Plans wären."

"Gut dann denke ich, dass ich eine Idee habe. Die Amarok.", meinte sie und konzentrierte sich. Die Männer zogen Eiswolke auf eine kleine Lichtung und banden sie dort an drei Bäumen fest. Die Greifin hatte sich scheinbar in ihr Schicksal ergeben, denn sie zerrte nur noch sporadisch an den Ketten, oder sie war einfach zu erschöpft um noch Widerstand zu leisten. Plötzlich spürte Idril eine vertraute Präsenz und blickte hinter Drewngard. Ailgaur stand aufrecht da und betrachtete sie aufmerksam. Baran und der Rest des Rudels stand hinter ihm.
"Kreist die Männer ein, doch tötet sie nicht.", sagte sie mittels der Gedankenrede. Als die Amarok gar nicht reagierten, begriff sie, dass sie soeben zu Drewngard gesprochen hatte. Sie warf ihm einen entschuldigenden Blick zu und wiederholte ihren Befehl gegenüber Ailgaur. Er schaute sie scharf an, kam dann näher und fuhr ihr mit der Zunge übers Gesicht. Sie lächelte. "Sei vorsichtig.", bat sie ihn, doch der Amarok schnaubte nur. Idril verstand seine Gefühle nur zu gut. Wenn es jemand gab, der vorsichtig sein musste, waren es die Menschen.
Die riesigen Wölfe bewegten sich fast lautlos über den Waldboden und verschwanden wieder im Wald. Für einige Minuten geschah nichts und Idril begann schon zu befürchten, dass Ailgaur nicht das tun würde, worum sie ihn gebeten hatte, doch dann trat der grauhaarige Amarok offen auf die Lichtung hinaus und knurrte. Es war ein Laut der Gewalt und einen schmerzhaften Tod versprach. Die Männer fuhren herum und hoben panisch ihre Waffen.
"Götterverfluchte Scheisse. Bren, nimm die Armbrust und schiess das Ding ab.", flüsterte einer der Männer und hob seinen Spiess, der in Anbetracht Ailgaurs Grösse lächerlich klein wirkte. Als der Mann seine Armbrust lud, tauchten die restlichen Amarok auf. Sie bildeten einen Kreis, der nur eine kleine Öffnung in Richtung Süden liess. Einer der Männer sank auf die Knie und begann zu beten. "Steh auf verdammt, das bringt jetzt auch nichts. Wir werden kämpfen, vielleicht können wir..." Ailgaurs Knurren wurde noch eine Nuance bedrohlicher, wenn das überhaupt möglich war und der Mann wurde kreidebleich. "Wir sollten abhauen. Wenn sie uns hätten fressen wollen, hätten sie das schon längst getan.", flüsterte einer der Männer.
"Aber der Greif.", protestierte der Mann mit der tiefen Stimme.
"Dann hol du ihn doch.", knurrte ein anderer. "Ich habe nicht vor als Mahlzeit für eines dieser Biester zu enden. Sie sind grösser wie ein verdammtes Pferd. Sie werden dich trotz der Kettenrüstung in der Mitte durchreissen." Der Mann, der gesprochen hatte, und die anderen vier begannen langsam zurückzuweichen. Nur einer zögerte noch einen Augenblick bevor ein kurzes Kläffen von Baran auch ihn in die Flucht schlug. Sobald sie ausser Sichtweite waren, begann sie zu rennen.
"Das war genial.", meinte Idril und platzte fast vor stolz.

Drewngard verdrehte die Augen und sah nach, ob dir Männer fort waren, dann trat er auf die Lichtung und sah hoch zu Ailgaur. "Mich musst du nicht so ansehen, die kleine da schuldet dir Fressen, nicht ich", meinte er und zog dann sein langes Messer, um die Fesseln des Greifes zu lösen. Aber bei jedem Schritt den er tat, schien das Tier verärgerter zu werden.

"Ruhig.", murmelte Idril und trat auf die Greifin zu. Sie hatte die Flügel abgespreizt und den Kopf hielt sie angriffslustig geduckt. "Er will deine Ketten lösen. Mit dem Messer wird er das Schloss am Halseisen aufmachen." Sie legte Eiswolke sachte eine Hand auf den Schnabel. "So ist es gut. Ich verspreche es dir, er wird dir nicht weh tun."
"Mann fügt schmerzen zu.", kamen die Gedanken der Greifin bruchstückhaft zu ihr rüber.
"Dieses Mal nicht. Drewngard ist lieb. Er wird dir helfen, danach werden wir dich gesund pflegen." Idril warf einen Blick rüber zu Drewngard, "Du kannst jetzt versuchen das Schloss zu öffnen. Sie aber vorsichtig. Das Halseisen hat ihren Hals wundgescheuert."
Ailgaur und dir restlichen Amarok hatten sich auf die Wiese niedergelassen und beobachteten das Geschehen interessiert.

Drewngard machte sich an die Arbeit und wenige Minuten später war die Greifin frei. Der Drache setzte sich zu den Amarok un überlegte, was sie mit dem gefiederten Biest nun machen sollten.

Eiswolke stakste unsicher herum und kratzte sich dann ausgiebig in den Federn. "Warte ich helfe dir.", meinte Idril und streckte die Arme nach dem Hals der Greifin aus. Sie legte sich auf den Boden, damit das Kind besseren Zugang haben würde. Die Federn waren grösser als Idril erwartet hatte. Ihre Arme verschwanden fast ganz im Gefieder. Als sie die raue Haut Eiswolkes spürte musste sie lächeln, bis ein Schwall von Ungeziefer an ihren Armen empor kroch. Mit einem erschrockenen Quieken sprang sie zurück und fegte in zunehmender Verzweiflung die kleinen Blutsauger von den Armen, die eifrig begannen sich auf ihrem ganzen Körper zu verteilen.
"Mach sie weg! Mach sie weg!", quietschte sie. Baran beobachtete sie und Idril konnte schwören, dass sie grinste, bevor ein Bild von einem Bach vor Idrils Augen aufblitzte. Ohne eine Sekunde zu zögern stürzte sie davon. Der Bach war nur 50 Meter von der Lichtung entfernt und das Mädchen sprang ohne zu zögern in das kalte Wasser. Mit einem Seufzer der Erleichterung liess sie das Wasser die kleinen Blutsauger fortspülen. Sie riss aber dennoch ein Grasbüschel ab und schrubbte sich gründlich ab. Als erstes würde sie mit Eiswolke ein Bad nehmen und die Greifin von diesem Ungeziefer befreien. Allerdings bezweifelte sie dass Drewngard ihr bei einer solchen Aufgabe behilflich sein wollte.

Er tat es trotzdem und nach einer Weile sassen das Mädchen, die Greifin und er zwischen den Amarok in der Sonne, um sich zu trocknen. "Ich hoffe, dass sie kein Ungeziefer mehr hat, auch wenn ich das bezweifle", meinte der Drache und beobachtetedie Tiere. Er seufzte und streckte sich in der Sonne. "Wo willst du sie unterbringen?"

"Es sind auf jeden Fall weniger.", meinte Idril selbstsicher und reckte sich genüsslich im Gras. Ihre Kleider hatte sie in einem Baum aufgehängt, doch die Sonne wärmte sie genug. Sie setzte sich auf und blickte dann mit grossen Augen bittend zu Drewngard. "Könntest du dich nicht ein wenig um sie kümmern?", bettelte sie.

"Sie ist ein Greif und ich ein Drache... wir sind Konkurrenten... und ich kenne mich mit Greifen nicht aus. Aber wenn es unbedingt sein muss, helfe ich ihr beim jagen", seufzte er.

"Du bist der Beste!", jubelte Idril, krabbelte über Barans Rücken und drückte dem Drachen einen dicken Kuss auf die Wange. "Da fällt mir ein. Ich denke meine Kleider sind mittlerweile wieder trocken." Sie sprang auf, lief zum Baum und zog sich wieder an. Ein Blick zum Himmel sagte ihr, dass es bereits anfing zu dämmern. Eiswolke von dem Ungeziefer zu befreien hatte länger gedauert als gedacht.