Als Idril angezogen war, erhob sich der Drache, klopfte seine Kleider aus und zog sich wieder Tunika und Jacke an, schnallte sich die Speere und Bogen samt Köcher um, bevor er sich der Greifin widmete. Das Tier misstraute ihm immer noch. Wie er festgestellt hatte, sah es ihn aber nicht als Drache, sondern Nagzwa an. Er schmunzelte. Greife waren nicht gerade die aller schlausten Tiere, die es gab, aber sehr stark und flink. Er seufzte. "Wir sollten ihr einen sicheren Ort suchen, wo sie sich verstecken kann, bis ihre Wunden verheilt sind", meinte er und wandte sich zu Idril um. "Komm", sagte er, hob sie hoch und setzte sie Baran auf den Rücken. Die Wölfin sah ihn verwirrt an und der Leitwolf knurrte, der Drache zeigte aber dem Rudel und der Greifin, dass sie es eilig hatten eine Höhle zu finden und Idril zurück in das sichere Nest, das das Kloster war, zu bringen. Denn die Kleine musste vor Sonnenuntergang dort sein. Die Wölfe willigten ein, ihm ohne Murren zu helfen, sobald er ihnen einen Anteil an der Beute versprach, die er für die Greifin besorgen würde. Innerlich freute er sich gar nicht darüber, denn das bedeutete drei- oder vierfache Arbeit für ihn...

Sie fanden schnell eine passende Höhle für die Greifin. Nachher brachte Drewngard Idril, trotz ihrer halblauten Proteste, zurück ins Kloster, wo sie von Iseline in Empfang genommen wurde. Die alte Priesterin bedankte sich bei dem Nebelläufer und brachte dann ihre kleine Novizin zurück in die für Besucher geschlossenen Bereiche. Die anderen Novizinnen waren alle draussen in den Klostergärten unterwegs, so blieb Idril alleine mit Iseline zurück.
"Setz dich ein wenig hin, Kindchen. Ich bring dir gleich was zu essen. Die anderen haben schon zu Abend gegessen.", sagte sie und strich dem Mädchen über den Kopf.
Idril nickte und holte die Flöte hervor, die Drewngard ihr geschenkt hatte. Kurze Zeit später erfüllten die ersten leisen Töne die Luft. Sie spielte eine munteres kleinens Frühlingslied, bevor sie zu etwas traurigerem überging. Ihr Zeitgefühl verging und sie verlor sich vollkommen in der Melodie. Ihre Finger tanzten geschickt über die Löcher, entlockten dem Instrument die unterschiedlichsten Laute, bevor sie dann dennoch zum Ende kam. "Was hast du da gespielt?", fragte Iseline leise. Sie war neben Idril getreten, ohne dass diese das gemerkt hatte.
"Es kam gerade in den Sinn.", meinte sie. "Ich habe an einen guten Freund gedacht, der nun tot ist. Er spielte immer auf einer Flöte."
"Du hast Talent, Kindchen. Übe fleissig. Schon jetzt hast du mein Herz berührt, in ein paar Jahren wirst du eine Meisterin sein."

Drewngard selbst ging zurück zur Greifin und den Wölfen, die in der Nähe ebenfalls rasteten. Der Halbvogel fauchte ihn warnend an und er fauchte nur zurück und liess sich beim Eingang nieder, machte es sich bequem und wandte dem überraschten Tier den Rücken zu. Er hatte Idril versprochen auf das Tier aufzupassen und morgen musste er ausgeruht genug sein, um genügend Beute für die Wölfe, den Greifen, sich und das Kloster zu machen. Schon jetzt tat ihm sein Rücken weh.

Drei Tage später

Idril sah wie Drewngard ein Reh, ein paar Hasen und einen Fasan in die Küche brachte. Der Drache sah reichlich erschöpft aus. Gestern war er auch schon vorbeigekommen. Beim Fest der Fruchtbarkeit wurde offensichtlich auch viel gegessen. Sie hatte die Gelegenheit genutzt um ihn zu fragen ob sie in ein paar Tagen weiterreisen könnten. Er hätte dafür aber Ilayda informieren müssen und die war zu dem Zeitpunkt am... beten gewesen. So hatten sie sich entschieden bis heute zu warten.
Vorsichtig tappte sie auf ihn zu und zupfte ihn am Ärmel um seine Aufmerksamkeit zu erlangen. "Geht es dir gut?", fragte sie leise.

Drewngard sah sie an und lächelte müde. "Ja, bin nur etwas geschafft", meinte er und fuhr ihr rasch mit der Hand über den Kopf, denn die Priesterin und Novizin, die gerade Küchendienst hatten, wussten nicht, wie man ein Reh häutete, also baten sie ihn um Hilfe und er konnte nicht nein sagen.

"Ich geh währenddessen mit Ilayda reden.", sagte Idril und lief los, als Drewngard begann das Tier zu häuten. Das Mädchen fand die Priesterin in ihrem Zimmer, wo sie Idril die Türe nach kurzer Zeit öffnete. Idril fürchtete sich ein wenig von der grossgewachsenen, strengen Priesterin. Sie hatte sie nur einmal näher kennengelernt und da hatte sie Prügel bezogen. Entsprechend war sie überrascht, als Ilayda sie mit einem warmen Lächeln begrüsste.
"Wie kann ich dir helfen?"
Für ein paar Sekunden hatte Idril einen Knoten in die Zunge, doch dann begann sie zu sprechen. "Drewngard und ich wollen weiterreisen.", erklärte sie und verknotete nervös die Finger ineinander. Irgendwie kam sie sich undankbar vor. Die Priesterinnen hatten sie ohne Vorbehalte aufgenommen und sie wie die anderen Novizinnen behandelt. Bevor Idril mit ihren Ausführungen weiterfahren konnte, nahm Ilayda sie sanft an der Hand und zog sie ins Zimmer. Dort setzte sie die Priesterin auf einen der Stühle und bedeutete dem Mädchen es ihr gleichzutun. Gehorsam liess sich Idril auf einen der Stühle nieder und redete weiter. "Ich habe einen Verwandten im Osten, der mich sicherlich aufnehmen wird. Ich lebte schon einmal eine Zeit lang bei ihm und er hat gut für mich gesorgt."
"Warum willst du gehen?", fragte Ilayda sie sanft.
"Naja ich..... ich vermisse meine Freunde. Ich habe auch schon hier neue gefunden, doch.... irgendwie ist es nicht richtig. Es fühlt sich falsch an hier zu sein."
"Und es ist nicht weil ich dich übers Knie gelegt habe?"
Idril schüttelte den Kopf. "Dafür war ich dir... ich meine euch schon böse, doch... ich hatte schon ein wenig weit über die Stränge geschlagen.", gab sie leise zu, "Doch das tut nichts zur Sache. Drewngard wird mich begleiten und auf mich aufpassen, bis ich bei meinem Verwandten bin."
"Wenn es wirklich dein Wunsch ist zu gehen, werde ich dich nicht daran hindern.", erwiderte Ilayda. "Jedem aus dem Kloster steht es frei zu gehen. Wenn du jemals wieder einen sicheren Hafen brauchst komm zu uns. Wir würden gut für dich sorgen."
"Danke.", sagte Idril leise und blieb unsicher sitzen. Sie wusste nicht ob sie jetzt einfach so gehen konnte. Die Priesterin stand auf und öffnete die Türe zu ihrem Zimmer. "So fern du keine weiteren Fragen hast, darfst du wieder gehen. Bitte aber Drewngard noch kurz in den Gebetsraum zu kommen. Ich würde gerne ein paar Worte mit ihm wechseln."
Idril nickte und lief raus ohne sich nochmals umzusehen.

Drewngard war relativ schnell damit fertig geworden das Tier zu häuten, aber die Novizin hatte ihn mit Fragen aufgehalten und erst, als Idril kam und ihm sagte, dass Ilayda mit ihm reden wollte, liess sie ihm wieder seine Ruhe.
Das Elfenmädchen führte ihn dann zum Gebetsraum und wartete draussen. Sie hatte ihm auf dem Weg gesagt, dass sie abreisen und nach Donsoha gehen wollte und der Drache fragte sich, was genau die Hohepriesterin mit ihm da noch besprechen wollte.
Er trat in den Raum ein, neigte das Haupt vor der Göttinenstatue, wie es sich gebührte und trat zur Frau, die ihn herbeordert hatte. "Ihr wolltet mit mir sprechen?", fragte er leise, um die wenigen Betenden im Raum nicht zu stören.

"Ich wollte euch fragen, welchen Weg ihr nehmen werdet um in den Osten zu gelangen? Wir haben Berichte von einer grossen Armee gehört. Ich will nicht, dass die Sicherheit eines unschuldigen Kindes riskiert wird. Wenn ihr ein Schiff nehmen wollt, fragt nach Rivan. Er ist mein Bruder und er wird euch überall hinbringen, wenn ihr ihm sagt, dass ich euch geschickt habe. Vorausgesetzt ihr könnt eine Überfahrt bezahlen."

"Das ist sehr freundlich", sagte er, "Ich hatte vorgehabt weiter nördlich über zu setzen... Idrils Verwandter lebt einige Kilometer südlich des grossen Wasserfalls. Es ist ein sicherer Ort..."

"Er kann euch ebenfalls dorthin bringen, ihr werdet wahrscheinlich nur ein wenig extra bezahlen müssen, dafür werdet ihr aber sicherlich eine Woche an Reisezeit sparen."