#51

RE: Ufer des Loney, Stadt Loney

in Dreitan - das Spiel 22.11.2012 22:03
von Randreyah | 11.751 Beiträge

Ca. 2500 Jahre vor unserer Zeitrechnung

Verschwommen drangen die Blätter und Äste durch den Nebel zu seinem Verstand. Die Lichtstrahlen schmerzten in seinen Augen und ein dumpfes Rauschen steckte unangenehm zwischen seinen Ohren fest. Benommen hob er einen Arm, welcher aber sofort wieder zurückfiel. Nichts, kein Schmerz, als sein Arm auf den Boden fiel. Er versuchte seinen Kopf zu drehen, aber auch dies gelang ihm nicht wirklich. "Wa...eu...me?", drang eine Stimme, wie durch Wasser, zu ihm durch. "Was..?", stammelte er und fühlte irgendwo in weiter Ferne eine Hand, welche sich an seine Schulter legte und ihn aufrichtete, nach hinten zog und an etwas raues, hartes lehnte. Es war ein Baumstamm, der ihn stützte, wie sich später herausstellte. "Wie heisst ihr?", erst nach dem dritten Versuch, verstand er sie. Unerwartet schnitt ihre Stimme durch den Nebel und mit ihr ein unangenehmes Pfeifen. Die Benommenheit verschwand und er schnappte nach Luft. "Aion", antwortete er und seine Kehle fühlte sich sandig an. Zwei kalte graue Augen sahen ihn an, dann sah er lächelnde Lippen und langes schwarzes Haar. "Seid ihr... Bin ich tot?", fragte er plötzlich. Ihr schallendes Lachen ertönte und er schämte sich unwillkürlich, dass er überhaupt daran gedacht hatte. "Ich dachte, weil ihr... Ich meine man sagt... Ihr wisst schon, der Tod hat Augen aus Silber und Haar, so schwarz wie die Nacht", meinte er verlegen und sie hielt ihm einen Becher an die Lippen. Dankbar trank Aion das eisige Wasser aus. "Man nennt mich Akkaya. Ich bin die Wächterin dieser Stadt... Ihr wurdet von Kriminellen bewusstlos geschlagen. Geht es euch wieder besser?", fragte sie und plötzlich hatte er keine Angst mehr vor ihr. Je länger sie ihn ansah, desto klarer wurden seine Gedanken. Er sah sich um. Ausser den hellen Fassaden und den leeren Strassen und vielen Bäumen war nichts zu sehen. "Wo sind - ", er stockte. Vier Männer sassen um einen Baum herum. Sie waren an ihn gefesselt worden und geknebelt. Anscheinend waren sie tot, oder bewusstlos. "Habt ihr... ich meine" - "Keine Angst, die sind unverletzt... Könnt ihr aufstehen?", fragte sie ihm die Hand entgegenstreckend. Mit einem Ruck zog sie ihn hoch und er merkte, dass sie kleiner war als er. Nicht viel, aber dennoch. "Ich glaube das an der Wange wird eine Narbe geben", sie fuhr mit dem Daumen über die Stelle in ihrem Gesicht, wo an seiner Wange sich ein Schnitt dunkel von der Haut abhob, "Seid bitte etwas vorsichtiger, das Reisen war für Priester und Gelehrte nie einfach. Ich nehme an, ihr seid ein Philosoph und Gelehrter aus Tanue?", er nickte, "Eure Kleidung hat euch verraten. Macht's gut Aion", mit diesen Worten verschwand sie in den Schatten. Ihre dunkle, flattrige Kleidung und Haar verschmolzen mit dem Dunkel der Schatten Loneys. Mit einem letzten Blick auf die Gefesselten, suchte er sich schnell seinen Weg zurück zum Gasthaus. Die Bücher, die er stets bei sich hatte, wogen aussergewöhnlich schwer.
Diese Nacht dachte er lange über die Begegnung mit ihr nach. Akkaya. Ein schöner Name, den er genauso wenig vergessen würde, wie die grauen Augen, die sich in seinen Verstand gebrannt hatten. Augen, so kalt und weit wie der herbstliche Himmel. Dann viel es ihm ein. Akkaya, Sturm, ein Name, den die Menschen nie ihren Kindern gaben, die Dämonen nutzten ihn selten und die Zwerge kannten dieses Wort nicht. Wer war sie also, dass sie einen so 'mächtigen' Namen trug?


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#52

RE: Ufer des Loney, Stadt Loney

in Dreitan - das Spiel 25.11.2012 02:31
von Randreyah | 11.751 Beiträge

Am nächsten Morgen traf er sie auf den Dächern des Tempels. Er liebte diesen Ort, welcher wie eine eigene Stadt über Loney wirkte. Ein Dorf der Seelen und Götter, die sich an den Ufern des glitzernden Flusses niedergelassen hatten. Was sie hier suchte, wusste er nicht, aber er konnte nicht seine Augen von ihr wenden.
Aus einem Turm, auf dessen Spitze die Göttin der Jagd mit einem Reh zwischen den Säulen hervorschaute, blickte er auf den Weg, welcher neben den Regenrinnen über das Dach führte. Von Bögen, über denen die Bildnisse der alten Sagen hingen, wurden die Wege überspannt. Das bunte Kristallglas der Fenster glitzerte in der Morgensonne. Er bemerkte sie zuerst nicht, dachte der Wind hätte Stoff hinaufgeweht, welcher sich an einer Statue verfangen hatte. Doch dann erblickte er ihr hoch gestecktes, schwarzes Haar und die Bänder, die das flatternde Gewand um sie banden. Sie sah aus, als wäre sie nicht real, ein Geist aus der Vergangenheit, ein Wesen, das die Zeit nicht kannte. Lange beobachtete er sie, folgte ihr durch die Türme und Gänge, wie sie über die Dächer streifte, mit einer Feder dabei zwischen den Fingern spielte und in Gedanken versunken immer wieder zu den Strassen hinuntersehend.
Plötzlich drehte sie sich um und er erstarrte. Tiefschwarz sah sie ihn aus ihren Augen ihn an. Sie lächelte. "Verfolgt ihr mich, Aion?", fragte sie den Kopf schräg gestellt. Er stockte. Wie hatte sie ihn bemerkt, so nahe war er ihr nun auch wieder nicht gefolgt?
"Nein, ich, ähm, ich bin oft hier. Es ist so schön am Morgen.. Man kann so gut nachdenken", antwortete er und stieg die Stufen hinab. "Was macht ihr hier?" Erneut lächelte sie und setzte sich auf den Sims, neben einen Wasserspeier. "Ich denke", sagte sie und deutete auf die Stelle neben ihr, sobald er aus dem Turm hinauskam. Er folgte und liess sich neben ihr nieder. "Woran?", eine dumme Frage, dachte er noch, aber sie lachte nur.
"An einiges. Nichts grosses, eher belangloses Zeug."
"Verzeiht mir, Akkaya, aber ich glaube kaum, dass es belanglos wäre, wenn ihr eure Zeit daran vergeudetet." Ihr Blick durchbohrte ihn. Ihre Augen wurden wieder von Silber durchzogen. "Ich denke an Krieg. Ich denke an die Herrscher Loneys und daran, wie ich mein Leben führen will." Aion wusste nicht, wie er darauf antworten sollte, also schwieg er. "Verzeiht", meinte sie dann und hielt ihm die Feder hin. "Ich bin nur etwas müde. Ich wollte euch nicht damit belasten. Was führt euch nach Loney?", fragte sie. Er lächelte diesmal und sah auf das niedrigere Dach unter ihnen. Die Feder fühlte sich plötzlich so schwer an. "Ich bin hier, weil ich von einer Frau gelesen habe. Einer Frau, die Wunder vollbringt und ich habe mich... Ich habe mich in diese Frau aus den Geschichten verliebt", gab er errötend zu. Er wusste nicht, wieso er es ihr erzählte. Wahrscheinlich lag es daran, dass sie ihn, vulgär ausgedrückt, letzte Nacht aus der Scheisse gezogen hatte.
"Wer ist diese Frau? Ich meine, die Geschichten müssen grossartig sein, wenn sich jemand nur deshalb in sie verliebt", meinte sie und sah zum Palast hinüber. Ein Assassine verneigte sich und verschwand hinter einem Wasserspeier auf dem Dach des Königshauses. Sie wandte ihr Gesicht wieder ihm zu, die Augen verfolgten aber das Geschehen auf der Strasse.
"Sie ist...", Aion zögerte, es würde merkwürdig klingen, "Sie ist eine Göttin heisst es. Eine Göttin, die vom Himmel auf die Erde gefallen ist... Es gibt viele Geschichten über sie... Tausende", er lachte verlegen, "Sie ist... Sie ist einfach wunderbar. Ich meine, eine Göttin mit ihren Fähigkeiten, welche so sanft und gütig ist. Einfach wundervoll", er sah zur Seite. Sie lachte. "Wie ist ihr Name?", fragte sie. "Sie hat viele Namen... Aber oft nennt man sie Akuma Neyla oder Reila Ich habe nachgeforscht und in der Sprache der Drachen, heisst das Drachentochter und Mond", er machte eine Pause und sah sie unsicher an. "Ihr glaubt sicherlich ich sei verrückt", meinte er, doch sie schüttelte nur lächelnd den Kopf. "Nein, ich glaube euch. Erzählt mir von ihr", forderte sie ihn auf. Zum einen Teil, weil sie wissen wollte, was man so über sie erzählte und zum anderen, weil sie hören wollte, was er darüber dachte. "Erzählt mir aber auch von euch", fügte sie hinzu und er lachte.
Nach einer Weile waren sie lachend in Gespräche vertieft, welche bis zum Mittag andauerten, dann musste Akkaya gehen, denn der König hatte nach ihr rufen lassen.
"Werdet ihr Morgen, wieder hier sein?", fragte sie zum Abschied. Aion nickte. Sie standen vor den massiven Eingangstüren des Tempels. "Na dann, bis Morgen", meinte sie und folgte dem Assassinen in den Palast. Wortlos sah er ihr nach. Als sie ausser Sichtweite war, ohrfeigte er sich. "So blöd, so blöd, so blöd!", stauchte er sich selber zusammen. "Wieso konnte ich nicht etwas sagen?"
Er seufzte und ging wieder in den Tempel. Was sollte er jetzt tun?
Akkaya schritt in den Thronsaal. Candor wartete dort auf sie. "Wo warst du so lange?", fragte er scharf. Sie winkte die anwesenden Diener und Assassinen hinaus und schenkte sich Wein in einen Kelch ein. "Auf dem Dach", meinte sie und trank. "Was willst du, mein Lieber?"
"Dass du dich deinen Aufgaben widmest, Akkaya. Wenn du nicht Königin sein willst, dann bestimme jemand anderes", antwortete er und liess sich auf den Thron fallen. "Ich habe bereits jemanden gefunden... Aber ich muss zuerst sichergehen", meinte sie und widmete sich dem Kuchen und anderen Leckereien, die auf dem Buffettisch standen. "Ich liebe die Küche hier", murmelte sie genüsslich mit vollem Mund. Sie dachte an Aion. Ein sehr interessanter Mann. Sie hatte ihren Entschluss gefasst. "Der Clanführer der Vandezia wird König", sagte sie und drehte sich um. "Geh und hole ihn. Ich will nicht alles alleine essen müssen", fügte sie hinzu und warf einen kandierten Apfel Candor zu. Er biss hinein, erhob sich und verschwand in dem Gang seitwärts des Thrones. Sie lächelte. Wenn Vandezia das neue Herrscherhaus werden würde, dann hatte sie einen Vorteil. Sie lächelte. Ihre Mutter hatte ihnen angehört, so viel sie wusste.


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#53

RE: Ufer des Loney, Stadt Loney

in Dreitan - das Spiel 29.11.2012 00:40
von Randreyah | 11.751 Beiträge

Winter ca 2500 Jahre vor unserer Zeitrechnung

Sie kannten sich nun schon seit über einem Jahr. Immer wenn sie Zeit hatten, sassen sie auf dem Dach des Tempels und unterhielten sich. Sie redeten über alles mögliche. Wenn sie nichts zu reden hatten, sassen sie einfach da. Still nebeneinander so nah und doch so fern. Aion seufzte. Er wusste so viel von ihr und doch so wenig. Lange sah er sie an, wie sie mit angezogenen Knien auf dem Rücken eines Wasserspeiers sass und über die Unterarme hinweg den Loney beobachtete. Von hier oben konnte man alles sehen. Akkaya wusste alles über ihn, dennoch verschwieg sie ihm Sachen. Er wollte wissen, was so düster an ihrer Vergangenheit war, dass sie es totschwieg. "Akkaya, ich will euch eine Frage stellen, aber ich weiss nicht wie", platzte es aus ihm heraus. Neugierig wie ein Eichhörnchen musterte sie ihn.
Was wollte er wissen? Sie lächelte ihn breit an, als er rot anlief und zur Seite starrte. "Wenn ihr es nicht aussprechen wollt, dann zeigt es mir", antwortete sie und legte den Kopf schräg.
Zögernd zeigte er ihr seine Idee, seinen Wunsch und seine verborgenen Gedanken. Kindisch kam er sich dabei vor und seine Ohren brannten. Wieso benahm er sich wie ein kleiner Junge?
Es raubte ihm den Atem, als sie ihm plötzlich um den Hals fiel. "Meine Antwort ist 'Ja'", flüsterte sie in sein Ohr und überglücklich umarmte er sie.
"Dann werden wir fortgehen?", fragte er. Sie nickte glücklich. "Wohin?", fragte er lachend. Er selber hatte keine konkrete Vorstellung. Jetzt lachte sie ebenfalls, dieses helle, glockenähnliche Lachen. "Überall hin. Dorthin, wo der Wind uns treibt", sagte sie.

"Akkaya, bist du dir sicher, dass es eine weise Entscheidung war?", Candor lehnte mit düsterer Miene an einer Säule im Palast. Sie sass auf Kissen und spielte mit einem jungen Tiger. "Natürlich", antwortete sie kalt und knapp. Er seufzte und kam auf sie zu. "Bist du sicher, dass er der Richtige für dich ist? Ich meine, sieh ihn dir an, er wird altern, nicht aber du. Und was wirst du dann tun?", meinte er vorwurfsvoll und hockte sich neben sie. Er schwang sich den Schal wieder über die Schulter und sah sie von der Seite her an. "Ich habe dir etwas versprochen Candor, daran werde ich mich auch halten. Sobald ich nichts mehr habe, das mich in dieser Welt hält, werde ich an deinem kleinen Spiel teilnehmen", sagte sie und ihre Blicke trafen sich. Er stand auf und gleichzeitig gruben sich die Krallen der Wildkatze in ihren Arm. Dunkel färbte das Blut den weissen Ärmel. "Wenn sein Leben fertig ist, wirst du also zu mir kommen?", fragte er und sah aus dem grossen Fenster.
"Natürlich."
"Wohin wirst du gehen, Reyla?"
"Dorthin, wo ihr mich nie finden werdet... Haltet euch raus, zumindest solange er lebt", meinte sie und heilte ihren Arm. Der Tiger sah sie erschrocken an und stupste mit der weichen Tatze ihr Knie an. Lächelnd strich Akkaya ihm über das Gesicht und den Kopf. "Komm mit, kleines Biest, wir gehen jetzt den König besuchen", sagte sie der Katze und hob ihn hoch in den Arm. Ohne ein weiteres Wort und ohne einen weiteren Blick verliess sie den Raum.
Candor blieb zurück und sah sich die Siedlung am anderen Flussufer an. Die Menschen dort, hatten weder zu Essen, noch sonst was. Er seufzte und schloss die Augen. Hoffentlich wusste sie, was sie da tat.


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#54

RE: Ufer des Loney, Stadt Loney

in Dreitan - das Spiel 29.11.2012 22:07
von Randreyah | 11.751 Beiträge

2350 Jahre vor unserer Zeitrechnung

"Wirst du mir jetzt folgen?", fragte Candor und legte ihr seine Hand auf die Schulter. "Ich werde dir folgen", antwortete Akkaya kühl und wischte sich die Tränen aus den kalten Augen. Ihre Tochter stand mit ihren beiden Söhnen neben ihr und starrte auf das Grab ihres Vaters. "Mein Beileid", meinte Candor zur rothaarigen Frau und ihren kleinen Jungen. Dann verschwand er.
Es war Nachmittag und der Regen tröpfelte leicht zur Erde. Die Feuchtigkeit der Luft schien alles Leben und alle Wärme zu absorbieren. "Ruhe hier, bis wir uns im nächsten Leben wiedersehen", sagte Akkaya und küsste die Fingerspitzen ihrer Hand. Sanft drückte sie die Finger und so auch den Kuss auf die Grabplatte. Sie, ihre Tochter und beiden Enkel standen auf einem Hügel hinter Loney und von hier aus konnte man die Stadt gut überblicken.
"Geh Heim, Mei", bat sie Akkaya sanft und drückte ihre Tochter. Die Frau nickte und wandte sich nach einigen Augenblicken zum Gehen. "Sagt Grossmutter lebewohl", flüsterte sie den fünf und sieben Jahre alten Burschen zu, küsste ihr Haar und sah ihnen zu, wie sie Akkaya umarmten und sich von ihr traurig und weinend verabschiedeten. Diese kniete sich hin und sah die beiden lächelnd an. "Ich werde euch alle paar Jahre besuchen kommen, seid also nicht traurig", meinte sie und verstrubbelte ihr Haar. Lächelnd gab sie ihnen je einen Ring und ein Medaillon mit dem Wappen Loneys. "Passt gut auf diese Schätze auf... Sie werden euch beschützen... Und seid gute Prinzen für Lones", sagte sie mit einer letzten Umarmung, bevor Mei ihre Hand auffordernd nach ihnen ausstreckte.
Die rothaarige Frau drückte das Diadem ihrer Mutter in ihrer anderen Hand und ging zerissenen Herzens in Richtung der Stadt, ohne sich erneut umzudrehen. Was sie gesehen hätte, hätte ihr nicht gefallen; Ihre alterslose Mutter und das Grab ihres Vaters, beides so fremd und beides so kalt. Und doch liebte sie sie.


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#55

RE: Ufer des Loney, Stadt Loney

in Dreitan - das Spiel 18.02.2013 09:20
von Randreyah | 11.751 Beiträge

2350 Jahre vor unserer Zeitrechnung, Aions Tod

Eine Träne fiel auf seine blasse Wange. Nur noch schwach und stockend gingen seine Atemzüge. "Wieso hast du mir nichts gesagt?", die Stimme die ihn das fragte war so kalt und so warm zugleich. Sie war wütend, das konnte er spüren. Er kannte sie nun schon lange genug, um es zu merken. 150 Jahre. Er schluckte und auch das bereitete ihm Schmerz. Hätte er gewusst was es für Folgen nach sich zog, hätte er es nicht getan. "Ich wollte dich nicht beunruhigen... Akkaya, kannst du mir einen Gefallen tun?", fragte er sie dann lächelnd. Sie biss sich auf die Lippe, so wie sie es immer tat um ihre Tränen im Zaum zu halten und nie gelang es ihr ganz, wenn es um ihn oder ihre Töchter ging. So viele Tränen. Er liebte sie, das war ihm immer klar.
Sie nickte. Er lächelte darauf. "Zerreiss meine Seele. Verteile sie in der Welt... Wenn du denkst, dass die Zeit gekommen ist, dann kannst du sie wieder zusammen setzten." Er konnte in ihren Augen sehen, dass sie es nicht wollte, er spürte wie sie ihren Geist vor ihm verschloss, doch er liess sie nicht. Und so zwang er sie es zu tun. Ein letzter Kampf zweier Geister, die einander vollends ergänzten. Dann gelang es ihm. In eine Ecke ihres Verstandes gedrängt gab sie nach und die Klauen ihrer Seele gruben sich tief in die seine, sein Bewusstsein Stück für Stück in einzelne Erinnerungen und Gefühle spaltend.
Das letzte was er noch wahrnahm war ihr Schmerz und das Versprechen, dass sie ihn wiederfinden würde. Viele Tränen boten ihm kühlen Abschied.
Was er jedoch nicht mehr merkte war, wie ein feiner Riss in ihr entstand. Ein Riss, der sich bald weiter durch ihr Herz ziehen und ihre Seele spalten würde, so dass sie nie wieder ihr früheres Ich sein könnte. Er hatte sie um etwas gebeten, das ein Wesen, wie sie es war, nie vergessen konnte und an dem sie langsam und qualvoll zerbrechen würde. Wie eine fallende Kristallkugel.


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#56

RE: Ufer des Loney, Stadt Loney

in Dreitan - das Spiel 14.06.2013 01:59
von Ro Raven | 10.532 Beiträge

Anfang Februar 307

Das Handelschiff legte in den ersten Tagen des Februars an den Kais von Loney an. Ein feiner Hauch von Schnee lag auf den Kupferdächern der Stadt und auf den winterkahlen Ästen der Obstbäume, die die Strassen säumten. Das helle Licht der Februarsonne liess das Weiss glitzern wie abertausende von feinen Kristallen, noch ohne es zu schmelzen in diesen frühen Morgenstunden.
Die Marketenderin überzeugte den Händler mit einem Abschiedskuss, ihr etwas Geld mitzugeben, dann liess sie ihn beim Hafenmeister zurück, um den Preis für die Anlegestelle zu verhandeln. Sie selbst schritt die Hafenmole hinunter und trat ein in diese fremde Stadt. Sie war niemals hier gewesen, aber sofort spürte sie, dass Loney anders war als die Städte des Tieflandes. Edler als Ekain, wo sie einen guten Teil ihres Lebens verbracht hatte, weiträumiger als Avedis oder Dara, feinsinniger als die Nachtzinne, die vor allem zum Krieg gebaut schien, lebendiger als Gevira. Gevira strömte eine erhabene Würde aus, die von der Grösse alter Zeiten berichtete. Loney besass dieselbe Ausstrahlung, aber ohne den Wehmutstropfen, dass diese Zeiten längst vergangen waren.
Sie streifte den ganzen Tag durch die Stadt, ohne mit jemandem zu sprechen, sondern nur um zu sehen, zu hören, zu riechen, wie diese Stadt war, wie sie lebte. Sie sah viel schönes. Aber auch Loney war nicht das Paradies. Das gab es nicht. Also musste man glücklich sein, mit dem was man hatte.


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#57

RE: Ufer des Loney, Stadt Loney

in Dreitan - das Spiel 14.06.2013 02:11
von Randreyah | 11.751 Beiträge

Einen Tag später

Der zweite Drache war etwas schneller gewesen als der erste, aber dennoch zu langsam für ihren Geschmack. Einige Kilometer vor der Stadt setzte er sie ab und sie suchte sich den Weg durch die Dörfer. Schliesslich schaffte sie es nicht Loney vor Einbruch der Nacht zu erreichen und so waren die Tore geschlossen. In einem Dorf, das sehr nahe der Stadt lag suchte sie sich einen Platz an dem sie die Nacht verbringen konnte. Sie wurde von einer alten Bäuerin aufgenommen, deren Mann schon längst verstorben und ihre Kinder ausgezogen waren. Sie liess die Fremde übernachten, wenn diese ihr im Gegenzug bei ihren Einkäufen in Loney half. Naja versprach es und so lag sie jetzt auf einem Strohbett und starrte die Decke an.
Sie wusste nichts mit sich anzufangen also tastete sie nach der Seele der Hexe in ihrer Hand. "Wo bist du jetzt?", fragte sie.


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#58

RE: Ufer des Loney, Stadt Loney

in Dreitan - das Spiel 14.06.2013 02:26
von Ro Raven | 10.532 Beiträge

Die Marketenderin hatte sich von dem Geld, das ihr der Händler gegeben hatte ein Einzelzimmer in einem Wirtshaus gegönnt, mit einem richtigen Bett, und sie hatte beschlossen, dieses erstmal mit niemandem zu teilen, denn die Laken rochen wunderbar frisch. Also lag sie alleine in dem ruhigen Raum, blickte durch das Fenster zum Mond hinauf und lauschte dem leisen Flüstern der nächtlichen Stadt draussen, als sie die Stimme der Halbdrachin vernahm.
Sie erwartete denselben stechenden Schmerz wie bei den Malen zuvor, aber er kam nicht. Da war nur die Stimme. Und sie war klarer als je zuvor. Die Marketenderin konnte sich keinen Reim darauf machen, aber im Grunde war sie erleichtert darüber, dass der Schmerz aufgehört hatte. Sie griff behutsam nach der Erde, aus die die Hand des Golems bestand und schrieb: "In Loney. Wo bist du?"


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#59

RE: Ufer des Loney, Stadt Loney

in Dreitan - das Spiel 14.06.2013 02:31
von Randreyah | 11.751 Beiträge

"Wo genau in Loney?", fragte Naja. Sie war erstaunt, dass sich die ganze Geschichte doch noch irgendwie zu ihren Gunsten wandte. Wenn die Marketenderin hier war, dann konnte sie sie schon morgen früh aufsuchen. Dann kam ihr die Bäuerin in den Sinn. Sie konnte schlecht ihr Wort brechen. "Kannst du am Abend zum Dom von Loney gehen und vor dem Eingang auf mich warten?", korrigierte Naja ihre Frage und zeigte ihr die Erinnerung des Gebäudes, welches das höchste, neben dem Palast, der Stadt war.


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#60

RE: Ufer des Loney, Stadt Loney

in Dreitan - das Spiel 14.06.2013 02:47
von Ro Raven | 10.532 Beiträge

Die Marketenderin nickte. Dann fiel ihr ein, dass die Halbdrachin sie nicht sehen konnte, aber seltsamerweise entnahm sie deren Gedanken, dass sie es trotzdem gespürt hatte.
Natürlich. Dass die Verbindung so klar war konnte nur eines bedeuten, und das machte eigentlich auch Sinn: die Halbdrachin war selbst in Loney oder nicht weit davon entfernt. Deshalb waren auch die Schmerzen fort.
Die Verbindung schwand und die Marketenderin blickte noch eine Weile aus dem Fenster und kuschelte sich in ihr Bett, ihres ganz allein, dann schlief sie ein. Sie träumte von Feuer. Die Flammen tanzten um sie herum, selbst über ihre Haut, doch sie verbrannten sie nicht, sondern hinterliessen lediglich eine feine Hitze, ähnlich wie ein Kuss.
Sie erwachte aus dem Traum und spürte nur die kühle Nachtluft auf ihrer Haut. Aber in ihrem Geist währte die Wärme weiter, irgendwo am Rande. Und da wusste sie, dass noch jemand hier war. Der Feuertänzer.


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