"Gerne.", erwiderte er und erhob sich. Er hielt ihr die Türe auf und zusammen gingen sie dann runter zum Hof.

Sie zeigte ihm alles was es zu sehen gab, den grossen Garten, den Innenhof, den grossen Ballsaal, die Bibliothek, die gleich daran angrenzte und den Salon, dann verliessen sie das nähere Anwesen und sie führte ihn zu den Stallungen. Dabei redeten sie nicht viel. Sie erzählte nur über die Burg Schwarzschnee und er stellte hin und wieder eine Frage.
"Wollt ihr mich zur Jagd begleiten?", fragte sie, als sie zu den Pferdeboxen kamen und sie einem Pferd, dass sie anschnaubte die Schnauze tätschelte.

Er nickte geistesabwesend, während er Palomon sanft über die Nüstern strich. Der Wallach war in seiner Gegenwart lammfromm. Zumindest für seine Verhältnisse. Er versuchte nicht Numair zu beissen noch zu treten. Trotzdem wollte dieser es nicht riskieren und auf diesem Tier auf die Jagd zu gehen. "Gerne. Wollt ihr auf die Beizjagd oder lieber einen Hirsch aufspüren?", fragte er und wandte sich dem nächsten Pferd zu. Es stammte ebenfalls aus seiner Zucht. Eine hübscher junger Hengst in seinen besten Jahren. Er war etwas klein geraten, doch sein Wuchs verriet Schnelligkeit und Kraft. Er drehte sich zu ihr um und lächelte, als er sah wie das Pferd, das sie gestreichelt hatte, sanft an ihrer Hand knabberte. Die Tiere schienen sie zu mögen und das war schon einmal ein grosser Pluspunkt. Pferde hatten ein empfindliches Wesen und wussten meist was für eine Person sie vor sich hatten.

"Beizjagd... Wenn ihr mögt... Und wenn nicht, kann ich euch die Wälder bei einem Ausritt zeigen", antwortete sie und sah sich nach einem Knecht um, welcher ihnen die Waffen und Pferde vorbereiten sollte, die Vögel, zwei Bussarde, würde sie selber holen.

Numair nickte und trat zur Seite um einem der Knechte Platz zu machen. Sie waren schon fast bereit, als Kjartan in den Stall trat, begleitet von drei anderen Rittern. Algernon folgte ihnen ebenfalls, doch gegen die Gesellschaft seines Ritters hatte Numair nichts. "Reitet ihr aus?", fragte Kjartan.
Numair nickte knapp.
"Ich denke das ist keine gute Idee. Ein junger Mann wie ihr allein zusammen mit meiner Nichte, da könntet ihr auf dumme Gedanken kommen. Euer Vater war schon hinter jedem Rock her. Gewiss habt ihr ebenfalls schon eine muntere Schar kleiner Bastarde in Midvale rumlaufen."
Numair kniff die Augen zusammen und machte unwillkürlich einen Schritt auf Kjartan zu, doch er nahm einen tiefen Atemzug und versuchte seinen aufkeimenden Zorn zu beruhigen. Algernon ging um Kjartan herum und untersuchte die Hufe seines Reittieres. "Ich werde mitkommen, wenn ihr nichts dagegen habt."
"Damit ihr euch sie teilen könnt. Ich wette das würde ihr gefallen.", knurrte Kjartan und befahl einem Stallburschen mit einem Wink ein weiteres Pferd zu satteln. "Wir kommen ebenfalls mit. Hol die Jagdwaffen!", befahl er einem seiner Begleiter, welcher sofort gehorchte. Numair betrachtete Kjartan mit neu erwachtem Abscheu, doch bevor er irgendeine Dummheit anstellen konnte, kehrte Rowenia mit einem Falkner zurück, der die beiden Vögel trug.
"Mylady, euer Onkel und einige seiner Ritter haben sich entschieden uns zu begleiten.", informierte er sie höflich.

Sie verzog kurz das Gesicht, als hätte sie soeben erfahren, dass sie Kuchen aus Kot essen musste und nicht sie ihr Onkel zur Jagd begleiten würde, als der besagte Herr sich kurz abgewandt hatte und sich einem Knecht widmete, welcher etwas - mindestens seiner Ansicht nach - falsch gemacht hatte. "Ich hoffe er hat nichts unpassendes gesagt", murmelte sie mit gedämpfter Stimme, dass ihr Onkel sie nicht hören konnte, erkannte aber sofort, dass dies doch der Fall gewesen war. "Verzeiht, er ist... ein Arschloch, gelinde gesagt." Sie nahm dem Falkner, welcher sein Lachen unterdrücken musste bei ihrer Bemerkung, einen Vogel ab und fuhr dem Tier sanft über die Federn an der Seite. "Habt ihr oft mit Vögeln gejagt?", fragte sie, um nicht dumm in der Gegend herum zu stehen, solange ihr Onkel nicht zurück war. "Holt die Hunde, bei den Göttern nochmal! Muss man denn hier alles selber machen?", brüllte Kjartan einen Diener an und dieser kuschte sich sofort.

Numair nickte und nahm dem Falkner den anderen Bussard ab. "Am Hof ist es ein beliebter Zeitvertreib.", erklärte er. Eigentlich bevorzugte er die Jagd zu Pferde mit einem Bogen in den Händen. Es erforderte grosses Geschick und Konzentration, doch dafür war die Genugtuung um so grösser, sobald man das Tier erlegt hatte.
Plötzlich erklang draussen das wütende Kläffen der Meute und gleichzeitig trat einer von Kjartans Rittern in die Stallung. Er trug drei Armbrüste und vier Köcher voll mit Bolzen. Sie wollten offensichtlich etwas grösseres als Vögel erlegen. Ein Diener folgte dem Ritter und dieser trug vier Saufedern. Das erklärte worauf sie aus waren. Wildschweine. Nun vielleicht riss eines der Tiere Kjartan die Gedärme raus. Falls dies passieren würde, würde Numair ihm keine Träne nachweinen. Kjartan nahm eine der Saufedern und prüfte ihre Schärfe. Er schien zufrieden, denn er lächelte und schwang sich auf eines der Pferde. "Du!", fuhr er einen seiner Ritter barsch an. "Du folgst meiner kleinen Nichte und passt auf, dass der Earl von Midvale seine Finger bei sich behält. Wir treffen uns beim grossen Findling."
Numair biss die Zähne zusammen und strich dem Bussard über die Federn. "Sollen wir ebenfalls aufbrechen, Mylady? Euer Onkel könnte sonst noch ungeduldig werden." Den letzten Satz hatte er in einem spöttischen Tonfall gesprochen und der Ritter, der als Rowenias Begleiter ausgesucht worden war, warf ihm einen wütenden Blick zu.

"Jetzt wo alle da sind und wir nicht mehr warten müssen", antwortete sie schlicht und liess sich mehr oder weniger freiwillig von ihrem Ritter in den Sattel helfen.
Ihr Onkel schien an der Situation seinen Spass zu haben und jede Sekunde voll auszukosten, so wie er im Sattel sass und dem Pferd die Sporen gab. Sie wusste, dass er Richtung Osten reiten würde, also würden sie sich auf den Weg in den Westen machen. Nicht dass es noch einen Jagdunfall gab.

Aus irgendeinem Grund ritt sie nach Westen, also genau in die entgegengesetzte Richtung, die Kjartan angegeben hatte. Der Ritter, den Kjartan ihr mitgegeben hatte, protestierte aber nicht. Numair war es nur recht. Je weniger Zeit er in Kjartans Gesellschaft verbringen musste, desto wohler fühlte er sich. "Habt ihr einen bevorzugten Ort, wo man gut auf die Jagd gehen kann?", fragte er, als sie ein Stück weit geritten waren.

"Sobald man den Wald dort", sie deutete auf den Hein vor ihnen, welcher den Anfang zum Wald bildete, "passiert hat, kommt man zu den Feldern. Es ist eine recht grosse, offene Fläche. Und sie wird seit zwei Jahren nicht mehr bebaut. Das Gras steht also relativ hoch und bietet sowohl Vögeln, als auch Rotwild Schutz... Wobei ich nicht weiss, wie es jetzt dort aussieht, das Jahr ist ja noch jung..."