"Soll ich den Brief abschreiben, damit er nicht schon gelesen aussieht, wenn der Bote ihn bekommt?", fragte Kia und Alesa setzte sich, sie hatte einige Fragen an Durien, aber dafür musste Kia ja nicht unbedingt im Raum sein.

"Ja, tut das.", erwiderte er zerstreut und reichte ihr den Brief.

Kia nickte und nahm ihn entgegen. Sie wollte nach Tinte und Papier fragen, aber der Blick ihrer Schwester, sagte ihr, dass sie besser ging. "Ich bringe euch gleich die Kopie", meinte sie daher freundlich und verliess den Raum.
Alesa wartete, bis die Tür hinter Kia geschlossen war und rang etwas mit sich, bevor sie ihre Frage stellte. "Habt ihr wirklich nichts gegen die Verlobung?"

Er schluckte. "Wären es andere Umstände hätte ich schon in Loney um eure Hand angehalten.", sagte er leise. "Doch ich bin der Graf von Tyre, Protektor der Nachtzinne und Onkel des Königs. Ich kann es mir nicht leisten zu sehr auf meine persönlichen Wünsche und Gefühle zu achten." Durien beugte entschuldigend den Kopf und nahm einen Schluck von dem Cidre.

"Ihr werdet sie also auflösen, sobald ihr keinen Nutzen mehr davon habt?", fragte sie weiter.


Simian nutzte die Gelegenheit und verabschiedete sich ebenfalls von seinen Brüdern, nachdem der Graf mit den beiden Frauen verschwunden war. Er hatte noch etwas, was er gerne tun wollte. Als er in seinem Zimmer angekommen war, nahm er Papier und Stift hervor und schrieb Alyrna eine Antwort, in der er ihr Aussehen in der alten Uniform lobte und lud sie auch gleich auf einen Ausritt ein.

"Ich weiss es ehrlich nicht. Ich weiss nicht ob ich es mir leisten kann auf meine Gefühle zu achten, oder nicht." Er rieb sich die Stirn und setzte sich gerade hin. "Götter! Ich sitze hier und jammere euch was vor. Dabei geht es ebenso um euch." Er schenkte sich etwas Cidre nach. "Das Problem ist, dass die Nachtzinne noch nicht ganz einheitlich ist. Ich kontrolliere zum grossen Teil das ganze Gebiet zwischen Ekain, Dara und Tyre, doch Avedis und Cadogan werden unser Schild gegen die Schwarzmagier sein. Das heisst ich muss ihnen Zugeständnisse machen um sie enger an die Krone zu binden."

"Und eine Hochzeit mit Alyrna wäre eines der effektivsten Zugeständnisse", meinte sie und seufzte. Sie ahnte, was das ganze bedeutete, aber sie konnte es noch immer nicht ganz verstehen. Irgendwie weigerte sie sich es zu tun. Sie setzte sich neben ihn und sah ihn eine Weile an. "Wenn ihr die Verlobung irgendwann lösen müsst, dann tut es. Aber es wäre schade, wenn ich mich ab dann von euch fern halten müsste." Sie lächelte und legte ihre Hand auf die seine.
"Durien, du bist auch nur ein Mensch. Mach dich nicht kaputt beim Versuch das Richtige zu tun. Ein angeschlagener Protektor nützt dem Volk nicht viel", sie hob seine Hand und küsste den Ring den er trug, bevor sie sie zur Faust ballte, "Wenn ihr Alyrna nicht heiraten wollt, dann gebt ihr eine hohe Stellung im Rat. Wahrscheinlich wird sie damit zufriedener sein, denn so bekommt sie mehr direkten Einfluss und Avedis müsste dann mit offeneren Karten spielen, weil sie dich als Ratsmitglied nicht so im Griff hätte, wie eine Ehefrau. Vergebt ihnen und Cadogan die Kriegsschulden oder was auch immer sie verbrochen haben, zeigt euch gnädig und lasst sie am Wachstum der Nachtzinne teilhaben, so werden sie das Gefühl haben willkommen zu sein und Einfluss zu geniessen", sie lächelte entschuldigend, "Verzeiht, das war nur die Meinung einer Wilden", fügte sie an und legte seine Hand wieder behutsam auf die Lehne zurück.

"Es ist ein guter Rat.", erwiderte er sanft. "Ich werde versuchen ihn zu beherzigen." Er drückte kurz ihre Hand gegen seine Stirn und stand dann auf. Was sie mit den ersten paar Sätzen sagen wollte, überlegte er sich lieber nicht zu genau, denn er fürchtete schwach zu werden. Er mochte sie immer noch, auch wenn er ihr nicht mehr ganz vertraute. Deshalb blieb er eine Antwort schuldig und verabschiedete sich von ihr, bevor er noch etwas falsches sagte. "Ich denke ich werde das Verlöbnis auflösen müssen, sobald Samor und seine Kinder hier sind. Was dann aber passiert weiss ich nicht.", fügte er noch an, bevor er fast fluchtartig das Zimmer verliess. Er wusste wirklich nicht was geschehen sollte. Sollte er dann um Alesas Hand anhalten? Wenn er Beweise hatte, die er öffentlich vorzeigen konnte, dass der König Geviras mit den Schwarzmagiern paktierte, dann konnte er das Verlöbnis auflösen, ohne als Wortbrüchiger dazustehen. Alesas Ruf wäre aber Schaden zugefügt worden, der nicht mehr rückgängig zu machen wäre. Aber eine Heirat mit Alyrna wäre nunmal das politisch sinnvollste. Er war kurz davor sich die Haare zu raufen. Warum es immer so verdammt vertrakt sein? Ohne sich umzusehen, machte er sich auf den Weg zu seinen Gemächern. Im Moment brauchte er etwas zu trinken und zwar etwas starkes. Tyrenischer Weinbrand erschien ihm deshalb genau richtig.

Als Kia mit der Kopie des Briefes zurück kam fand sie ihre Schwester allein im Raum sitzend und die Wand anstarrend vor. "Wo ist Durien?", fragte sie und sah sich nach dem Grafen um, doch dieser war nicht mehr anwesend.
"Ich weiss nicht", schluchzte Alesa. "Wie, du weisst nicht?", fragte Kia und eilte dann zu ihr. "Was ist passiert, Liebes?", fragte sie sanft, aber auch alarmiert.
"Garnichts", war die Antwort gefolgt von einem weiteren Schluchzen. Kia legte den Brief beiseite und setzte sich auf die Armlehne von Alesas Sessel. Ohne etwas zu sagen zog sie sie an sich und drückte sie sanft. Alesa lehnte sich an Kia und erstickte ihre Tränen in deren Kleid.
Erst nach einer Weile brachte Kia sie zum Reden und was Alesa ihr erzählte, tat auch ihr weh, denn sie wusste nun mit Gewissheit, wie sehr ihre Schwester litt. Sie versuchte sie zu trösten, aber es brachte nicht viel.
"Ich will, dass es aufhört", schluchzte Alesa, "Bitte, Kia, ich kann nicht mehr. Ich will zurück. Wieso hast du mich ihm vorgestellt?" Sie bekam keine Antwort auf ihre Frage und wurde kurz darauf alleine im Sessel gelassen.
An der Tür strich Kia ihr Kleid glatt, wandte sich noch einmal zu Alesa um und lächelte sie aufmunternd an. "Es wird bald vorbei sein, keine Angst." Die Tür fiel zu und Kia atmete aus, setzte ein perfektes Lächeln auf und eilte zu Duriens Gemächern, um mit der Suche nach dem Grafen anzufangen.