"Dann tut es, wenn es in eurer Macht steht", sagte Durien. Er wusste nicht, was der assassine genau konnte, aber wenn es stimmte, was er sagte, dann hatten sie zumindest eine Information.

Mittlerweile war auch der Elfenassassine eingetroffen. Durien sass auf seinem Stuhl und tappte unruhig mit den Fingern auf die Tischplatte, während sie auf Faren warteten oder auf die Rückkehr des anderen Assassinen. Ormud gähnte zum zigsten Mal, erinnerte sich plötzlich, wo er war und hielt sich schnell die Hand vor den Mund. Caelria musterte Durien und der Elf liess sich so wenig von seinen Gedanken anmerken wie die meisten Assassinen.
Schliesslich flogen die Zeltplanen am Eingang auseinander und ein sehr gereizter Faren trat ein. "Könnt Ihr mir sagen, was das soll, eine Sitzung mitten in der Nacht?!"
Durien erhob sich und wandte sich an alle Versammelten, ohne auf Faren's Tonfall einzugehen. "Ich habe Euch etwas wichtiges mitzuteilen. Die Frau, die den Brief des Schwarzmagiers - wenn er denn von ihm ist - gebracht hat, hat mich heute aufgesucht, während ich schlief."
Faren schnaubte.
Durien ignorierte ihn, doch bevor er dazu kam, etwas zu sagen, fragte Caelria: "Habt Ihr sie gefangen genommen?"
Durien schüttelte den Kopf. "Nein. Sie ist entkommen, indem sie mich betäubte. Mit Magie. Es sieht also so aus, als hätten wir es mit einer Magierin zu tun."
Faren schnaubte abermals. "Schon viele Männer haben die Künste einer Hure als Hexerei bezeichnet, um sich herauszureden."
Durien lief rot an vor Zorn. Was zuviel war, war zu viel. Er fuhr herum. "Hütet Eure Zunge, General Faren!", fuhr er ihn an. "Ihr mögt Euch gewohnt sein, der Anführer zu sein, aber in diesem Heer sein ihr mir unterstellt! Könnt Ihr Euch das merken oder muss ich Euch daran erinnern?"
Faren krebste zurück und murmelte irgenetwas, was ebenso gut ein Fluch sein konnte wie eine Entschuldigung.
Durien wandte sich wieder der Versammlung zu. "Bevor sie mich betäubte, sprach sie mit mir. Sie sagte mir, sie habe den Brief von einem Landstreicher namens Reven erhalten. Ob das wahr ist oder nicht, wissen wir nicht, und es sagt auch nichts darüber aus, woher der Brief ursprünglich kam. Was viel interessanter ist: Sie riet mir, die Nachricht nicht zu beachten und Ekain noch vor Ende der Woche anzugreifen."
Er stütze sich mit beiden Armen auf dem Tisch ab. "Einer der Assassinen...", er nickte dem Elfen zu. "...versucht die Frau in diesem Augenblick zu orten. Wir wissen nicht, ob er erfolgreich sein wird und ob uns seine Informationen weiterhelfen. Also müssen wir die Tatsachen betrachten: wir haben von zwei Magiern zwei völlig gegensätzliche Anweisungen erhalten. Egal, was wir tun, wir werden gegen den Willen von einem der beiden Handeln. Was ich also vorschlage ist, dass wir sie beide ignorieren. Und unsere Entscheidung nach den herkömmlichen strategischen Überlegungen fällen."
Er richtete sich auf. "Unser Heer ist erholt, der Nachschub gewährleistet, die Strassen nach Ekain frei. Je schneller wir diesen Krieg beenden, desto besser. Was ist Eure Ansicht dazu?"
Bevor jemand dazu kam zu antworten konnte, öffneten sich die Zeltplanen und der Magier kam herein, gestützt auf die Schultern der Elfe. "Habt Ihr etwas herausgefunden?", fragte Durien.

"Ormud!", befahl Durien. "Schickt sofort ein Dutzend Reiter los, um sie einzufangen." Ihm kam ein Einfall. "Caelria, Ihr reitet mit ihnen. Nehmt einige eurer Bogenschützen mit." Damit verringerte er die Gefahr, dass die Verfolger sich durch irgendeinen Zauber bezirzen liessen. Erstens, weil die Bogenschützen auch aus der Entfernung drohen konnten, zweitens, weil Caelria eine Frau war.
Während Ormud und die Frau aus dem Zelt liefen setzte Durien sich und bedeutete dem Assassinen, der aussah als wäre er kurz vor dem zusammenklappen, auf einem Hocker platz zu nehmen. Er betrachtete ihn und stutze plötzlich. Was hatte er gesagt? Er brauche ein Haar, Haut oder Blut von der Frau, um sie zu orten? Wie hatte er sie denn jetzt orten können? Oder brauchte er das erst beim zweiten Mal? Durien war kein Spezialist, was Magie betraf, aber das klang unlogisch. Woher hatte er das Material also gehabt?
Er versuchte sich äusserlich nichts anmerken zu lassen, aber innerlich kniff er die Augen zusammen. Irgendwas stimmte da nicht. Und wo war jetzt der Elfenassassine eigentlich hinverschwunden?

Durien beschloss, direkt zu sein: "Kennt Ihr die Frau?"

Ok, entweder stellte der Kerl sich grad dämlich, oder er war völlig durch. Durien präzisierte: "Ich meine die Marketenderin."