Trotz seiner Müdigkeit setzte sich Armelion kerzengerade im Bett auf als er den Ruf hörte. Wer war das zum Teufel? Er rieb sich die Augen mit einer Hand und tastete gleichzeitig mit der anderen nach ein paar sauberen Kleidern. Gähnend schlüpfte zog er sich eine verwaschene graublaue Tunika über den Kopf und schnallte sich das Doppelschwert auf den Rücken. Mit langsamen Schritten ging er aus dem Zelt und schaute sich um. Offensichtlich schien er nicht der einzige zu sein, der den Ruf hörte. Caelria humpelte auf ihn zu und nickte dann in Richtung Osten.
"Weisst du wer das ist?", fragte er.
Die Jägerin schüttelte den Kopf. "Keine Ahnung. Gehen wir hoch zur Zitadelle, vielleicht erfahren wir dort mehr."
Armelion nickte und ging mit schnellen Schritten los. Er wollte so schnell wie möglich herausfinden, wer das war, dann konnte er endlich wieder schlafen gehen. Caelria halb ging, halb hüpfte auf einem Bein neben ihm her. "Lauf nicht so schnell verdammt. Mir ist erst vor einer Woche ein Pfeil ins Bein geschossen worden."
Armelion verlangsamte seine Schritte und sie stützte sich auf ihn ab. "Schon besser.", brummte sie.
Ein paar Minuten später traten sie durch eine Türe im Inneren der Zitadelle in ein geräumiges Zimmer. Dicke Wandteppiche mit prächtigen Jagdszenen verdeckten die kalten Steinmauern und gaben dem Raum eine angenehme Wärme.
Durien schaute hoch, als sie eintraten. "Ist etwas passiert?", fragte er erstaunt.
"Nein, aber irgendetwas oder jemand ruft uns. Jetzt in diesem Moment, kannst du es nicht hören?", erwiderte Armelion und half Caelria sich auf einen Stuhl zu setzen. Mit einem erleichterten Seufzer streckte sie das verwundete Bein und begann mit langsamen Muskeln den verkrampften Muskel zu massieren. Der Graf von Tyre schaute den Elfen an als ob er an dessen Verstand zweifeln würde.
"Ich höre rein gar nichts.", sagte er nach einer Weile.
Bevor Armelion etwas sagen konnte klopfte es wieder an der Türe und ein Magier trat ein. "Ah, Pallando. Vielleicht könnt ihr uns weiterhelfen. Legat Armelion sagt mir...."
"Das er einen Ruf hört.", beendete Pallando den Satz. "Ich höre ihn ebenfalls. Ich nehme an, dass nur Magier diesen Ruf wahrnehmen können. Denn kaum einer der Soldaten scheint ihn wahrzunehmen und ihr hört ihn ebenfalls nicht."
Durien nickte knapp. Er wurde nicht gerne daran erinnert, dass er keine Magie beherrschte. Seine Familie war immer stolz auf ihre magische Fähigkeiten gewesen. Nur er hatte keine besessen. Stattdessen hatte er sich der Kunst des Schwertkampfes zugewandt und diese sein ganzes Leben lang studiert. Nach einer Weile drehte er sich schliesslich zu Armelion um. "Werdet ihr dem Ruf folgen?"
"Nein!", erwiderte der Elf bestimmt, "Daedhelon könnte jeden Moment zuschlagen. Jetzt die Armee zu verlassen wäre verantwortungslos."
Durien nickte zufrieden, "Gut dann wäre das erledigt." Der Graf wandte sich wieder Pallando zu, "Ruft bitte alle zusammen, die ein wenig Magie beherrschen. Wir müssen uns über diesen Ruf unterhalten. Vielleicht weiss jemand mehr darüber. Und wenn ihr nicht herausfindet wer da ruft, dann schickt ein paar Späher aus, die dem Ruf folgen sollen. Sobald sie herausgefunden haben, wer es ist, sollen sie zurückkommen."
"Verstanden. Ich ordne in der Zwischenzeit an, dass niemand ohne Erlaubnis das Lager verlassen soll." Pallando deutete eine Verbeugung an und ging dann hinaus.
Armelion wandte sich wieder Caelria zu, die seinen fragenden Blick mit einem Achselzucken erwiderte. Sie wusste genau so viel wie er.
"Armelion... könnt ihr den Ruf irgendwie abblocken?", fragte Durien, "Ich will nicht, dass die Heiler gehen. Wir brauchen sie mehr denn je."
"Es tut mir leid. Ein so grosses Gebiet abzudecken benötigt zu viel Kraft. Aber ich denke kaum, dass sie gehen werden. Sie wissen, dass sie den Soldaten gegenüber verpflichtet sind."
Durien nickte langsam und setzte sich. "Dann werft bitte einen Blick auf diesen Gesetzesentwurf.", sagte er und hob das Pergament hoch. Ein wenig erstaunt trat Armelion näher und nahm das Dokument entgegen. Er überflog die Zeilen und er hob die Augenbrauen.
"Ich denke kaum, dass die Adligen es dulden werden, dass ihr ihren Gutsbesitz verkleinert und alle Leibeigenen zu freien Pächtern macht.", schloss er.
"Ich weiss, aber dieses Wirtschaftssystem ist alt. Ich habe es auf Tyre probiert. Nicht offiziell natürlich, aber ich habe sämtliche Leibeigene diesselben Rechte zugesprochen wie sie die freien Pächter besitzen. Das Ergebnis kennst du ja schon. Tyre ist mittlerweile die reichste Grafschaft der ganzen Nachtzinne."
"Ich denke ihr werdet einen Weg finden es durchzusetzen. Den einzigen Punkt bei dem ihr Probleme haben werdet ist die Sklaverei. Die meisten werden es nicht billigen, dass ihr die ebenfalls abschafft. Und ausserdem was werdet ihr mit all den Menschen tun, die plötzlich frei geworden sind?"
"Ich gebe ihnen Land und gebe ihnen genug Saatgut um einen Hof anzufangen.", erwiderte Durien prompt, "Es gibt viel fruchtbares Land, das seit dem Krieg brachliegt. Glaub mir, es wird funktionieren."
Armelion nickte. Auch wenn es irgendwie verrückt klang. Er war sich sicher, dass Durien es schaffen würde die ganze Wirtschaft der Nachtzinne umzuorganisieren, im Alleingang, falls das nötig war. Und der Bürgerkrieg war die Gelegenheit dieses neue Gesetz durchzusetzen. Sie würden sich im Handumdrehen die Unterstützung der Bevölkerung sichern. Ausserdem würde es den anderen Adligen die Unterstützung der Bevölkerung entziehen. Der einzige Knackpunkt war, dass die Adligen sich höchstwahrscheinlich gegen das Gesetz stellen würden. Alleine konnte Durien das Gesetz nicht verabschieden. Er brauchte die Unterstützung der anderen Adligen. Sonst würden sie ihm vorwerfen, dass er versuchte die Macht an sich zu reissen. Als ob Durien seine Gedanken hatte lesen können, lächelte er verschmitzt.
"Graf Dara ist vor etwa zehn Minuten hier eingetroffen. Zusammen mit den einflussreichsten Adligen aus seiner Grafschaft. Sie werden alle dem Gesetzes zustimmen. Das war ein weiterer Punkt, dem er hatte zustimmen müssen, bevor wir uns verbündet haben. Ausserdem wird Gilthen in etwa zwei Stunden eintreffen zusammen mit den einflussreichsten Männern der Nachtzinne."
Armelion starrte ihn einen Moment lang sprachlos an. "Ihr habt das alles vor langer Hand geplant oder?"
Durien nickte und grinste, "Bis zum Morgengrauen wird dieses Gesetz verabschiedet werden und es gibt nichts was ihre Gegner dagegen unternehmen könnten. Wie sollten sie auch. Sie wissen gar nicht was ich zu tun gedenke."

Lesk schnupperte die Luft. Er kannte die Städte der Menschen nicht. Die einzigen Städte, die er je gesehen hatte waren Drez, Azura und Ladril. Ekainnwar anders, mit seinen Häusern und Strassen, Läden und Werkstätten. Candor hatte ihm eine Geruchprobe der Clanführer gegeben. Diese musste er jetzt ausfindig machen und sie bitten so schnell es ging dem Ruf zu folgen.
Der rote Winzling fröstelte, als er Drewngards Schatten im Rücken fühlte. "Wo ist er?", fragte ihn die Silberschwinge mit verschränkten Armen. Die grauen Augen kalt und das lange Haar zusammen gebunden. Drewngard hatte sich noch nicht in einen Drachen zurückverwandelt. Lesk seufzte und deutete auf die gegenüberliegende Strassenseite. "Er kauft Honig", sagte er und duckte sich, als ein Soldat näher kam. "Du gehst", knurrte Drewngard missgelaunt und verabschiedete sich, mit dem halbherzigen Versprechen etwas ausserhalb der Stadt zu warten. Lesk schluckte und huschte, sobald ihm sich die Gelegenheit bot, ungesehen zum Elfen.
Fünf Minuten später standen sie vor einer Tür, hinter der sich Durien befand. Lesk lag um die Schultern des einäugigen Elfenkriegers und wartete, dass dieser klopfte. Doch Elairon schien ebenfalls unwohl zu sein. Sie konnten dumpf die Stimmen hören, eine Frau und zwei Männer, schloss Lesk am Gruch der Luft, die zwischen den Türritzen zirkulierte. Zwei Elfen und ein Mensch. Elairon klopfte.
some men just want to see the world burn

Caelria erhob sich lautlos von ihrem Stuhl und öffnete die Türe. Den Elfen kannte sie nicht. Er gehörte nicht zu den Bogenschützen oder zu den Spähern. Als sie den Schlangedrachen auf den Schultern des Elfen entdeckte entspannte sie sich ein wenig. "Was wünscht ihr?", fragte sie freundlich. Armelion trat einen Schritt zur Seite um den Neuankömmling zu betrachten und ihm fiel ebenfalls der kleine Drache sofort ins Auge. Lesk war sein Name, falls er sich richtig erinnerte.

"Dann kommt rein." Sie trat zur Seite und liess den Elfen und den Drachen eintreten. Armelion trat einen Schritt näher zu Durien's Stuhl und setzte sich ein paar Meter von ihm entfernt. Er kannte Lesk und bezweifelte, dass der Drache sie angreifen würde, aber der einäugige Elf gefiel ihm nicht. Darum wollte er sich bereithalten.
Durien stand auf, augenscheinlich vollkommen ungerührt über den überraschenden Besuch. "Was ist das für eine Nachricht?", fragte er und schaute den Elfen an. Dann fiel sein Blick auf Lesk und ein kleines Lächeln tauchte auf seinem Gesicht auf. "Es ist mir eine Ehre euch wiederzusehen werter Lesk.", sagte er und deutete eine kleine Verbeugung gegenüber dem Drachen an.

Lesk nickte. "Ich habe euch die Assassinen für diesen Krieg versprochen. Es ist jetzt Zeit, dass sie dem Ruf folgen. Wenn ihr aber darauf besteht, werde ich euch einige geeingnete Männer zuweisen, die euch weiterhin zu Dinsten sein werden", sagte Lesk von der Schulter des Elfen. Er war froh, dass er nicht auf Drewngards Schulter sitzen musste. Sie müssten sich beeilen, wenn er ihn nicht wütend machen wollte.
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"Seid ihr euch sicher, dass ihr keine Leibgarde wollt? Ich hätte ein schlechtes Gewissen, wenn ihr in der letzten Schlacht sterbt", sagte Lesk, vor allem aus Höflichkeit, aber auch weil er nicht den Fürsten gegen die Assassinen aufhetzen wollte. Weya hatte da ja ihren Teil schon beigetragen und er musste die Situation nicht noch mehr anspannen.
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"Nun denn.... dann lasst mir drei Assassinen euer Wahl hier. Das sollte genügen. Der Rest darf gehen wohin sie wollen. Nun da ihr eure Nachricht überbracht habt, nehmt einen Moment Platz. Ich werde nach Essen und Trinken für euch schicken.", sagte Durien und machte eine einladende Geste in Richtung des Tisches.


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