Reven stiess einen lautlosen Fluch aus und spuckte in den Strassengraben. Er war zu alt für solche Dinge. Gut, er war eigentlich nicht alt. Aber für so etwas war jeder zu alt, er nicht zu jung war. Er duckte sich in den Schatten, als ein Trupp Soldaten vorbei rannte, von denen einigen abgebrochene Pfeilschäfte aus der Brust ragten. Als sie vorbei waren, sprang er über die Gasse und die Treppen im Haus gegenüber empor bis auf das Dach. Die Stadt brannte schon zu einem grossen Teil. Er rannte los, balancierte über Giebel und rutschte Dachschrägen hinunter. Als er die Zitadelle erreichte, versuchten bereits einige Untote das Tor mit einem Rammbock einzu schlagen. Es würde vermutlich nicht sehr lange dauern, bis sie Erfolg hatten.
Reven sah sich um, nahm das Dach hinunter Anlauf und sprang dann mit einem Satz der ein klein wenig zu weit war, um ganz natürlich zu sein auf das nächste Dach. Schliesslich erreichte er eine Stelle, an der nur eine schmale Gasse die Hausdächer von der Zitadelle trennte. das Dach auf dem er stand, brannte am anderen Ende bereits und es war unangenehm warm. Er nahm zwei Schritte Anlauf, konzentrierte sich und sprang. Die Luft katapultierte ihn hoch, sodass er nur noch ein klein wenig mit den Händen helfen musste, um über die Umgrenzung des Wehrgangs zu kommen. Bevor ihn jemand sah, liess er sich auf das Dach der Stallungen dahinter fallen und duckte sich, um mit seiner graubraunen Kleidung auf den graubraunen Ziegeln fast unsichtbar zu werden.
Hier drinnen im Hof der Zitadelle waren die Schläge des Rammbocks noch lauter als draussen. Er sah eine Gruppe von Soldaten, die sich auf der Innenseite des Tors drängten, um sich dem Feiden entgegen zu stellen, wenn er durch brach. Reven überflog die Menge mit seinen scharfen Augen und schliesslich entdeckte er Durien. Der verrückte Kerl stand tatsächlich da unten, anstatt sich ins innere der Zitadelle in Sicherheit - zumindest für ein wenig länger als hier draussen - zu bringen.
Reven sprang vom Dach des Stalles auf einige Strohballen - das war ja fahrlässig, das Zeug bei dem Funkenflug hier herumstehen zu lassen - und lief auf Durien zu. Mit der Gewandtheit eines Mannes, der besser dran war, wenn er nicht bemerkt war, schlängelte er sich zwischen den Soldaten hindurch, bis er Durien erreichte. Er fasste ihn an der Schulter. "Graf Durien! Ihr müsst fliehen!"
If you're going through hell, keep going.

Durien fuhr herum und starrte den Mann an. "Fliehen? Wohin? Die Zitadelle liegt im Zentrum der Stadt und ausserhalb sind überall diese verfluchten Untoten. Nein, wir können nicht fliehen. Alles was wir tun können ist so viele dieser Bastarde mit uns zu nehmen!" Wie aufs Stichwort krachte der Rammbock erneut gegen das Tor und die dicken Balken ächzten. Ormud trat nach vorne und hob seinen blutgetränkten Waffen. Seinen Rabenschnabel hatte er verloren, doch er hatte auf der Flucht zur Zitadelle eine stachelbewehrte Keule und eine Axt aufgehoben. Durien zog das Schwert, das ihm der Elf gegeben hatte und schaute runter auf den kleinen Schnitt in seinem Daumen. Es hatte nicht funktioniert. Armelion war nicht gekommen. Vielleicht war er schon tot und lief nun ebenfalls als Untoter durch die Strassen der Stadt.

Armelion lehnte sich gegen die Wand des Turmes und rutschte dann langsam runter in Richtung Boden. Er brauchte eine Pause. Dieser letzte Zauber hatte ihn total erschöpft. Er war nicht in der Lage gegen einen Schwarzmagier zu kämpfen. Er nestelte am Beutel mit der Asche rum und holte ein paar Körner raus. Er brauchte eine Ablenkung damit er fliehen konnte.
Wieder krachte etwas gegen die Türe und er hörte wie das Holz splitterte. Die Untoten würden bald zu ihm durchdringen. Er schluckte eines der Aschekörner runter und stand auf. Die Energie durchflutete ihn wie ein elektrischer Stoss und er lächelte grimmig. Je weiter sich die Tätowierung ausbreitete, desto besser, würde er die Energie in der Asche nutzen können. Er schnippte eines der Körner davon und stand auf. Ein weiteres Mal krachte etwas gegen die Türe und der Balken gab endgültig nach. Die Untoten stürmten herein, doch der Elf fegte sie mit einer Druckwelle zurück und schickte gleichzeitig das Aschekorn los. Mit raschen Schritten erklomm er die Treppe zum Dach des Turmes und hakte das Doppelschwert los. Er hörte schon wie die Untoten hinter ihm herkamen. Ohne sich umzudrehen, schleuderte er einen Feuerball die Treppe runter.
Da endlich! Er stieg durch die Luke auf das Dach des Turmes und schlug sie hastig zu. Dann schob er die Balliste auf die Luke drauf und schaute sich um. Die kleine Gestalt hockte noch immer auf dem Dach und behielt im Auge. Sie hatte die Barriere mittlerweile auf den ganzen Turm ausgeweitet. Armelion hob seine Waffe und schleuderte eine der Zinnen, die das Dach des Turmes säumten, gegen den Schwarzmagier. Sie machte auf dem halben weg kehrt und flog zurück. Der Elf duckte sich mit einem Fluch unter das Geschoss hinweg. Als er wieder hochschaute, stand die Gestalt direkt vor ihm. In jeder Hand hielt sie ein blitzendes Hakenschwert. Der Angriff kam so schnell, dass er ihn kaum abwehren konnte. Funkensprühend trafen die Klingen aufeinander. Der Schwarzmagier riss das Schwert zurück und der Haken am Ende der Waffe zog Armelions Klinge runter und entblösste ihn so für einen Angriff. Doch bevor der Gegner des Elfen zuschlagen konnte, schwebte das Staubkorn hinter ihm hoch. Armelion lächelte und schaute der niederfahrenden Klinge regungslos entgegen. "Braga!", flüsterte er.
Die Energie im Aschekorn wurde von einer Sekunde auf die andere freigesetzt. Die Explosion riss den ganzen Turm auseinander und der Schwarzmagier löste sich in Rauch auf. Armelion nutzte den Moment als die Barriere in sich zusammenfiel und verschwand.


Durien starrte den Mann für einen Augenblick an, dann wandte er ihm den Rücken zu. "Ich werde die Menschen hier nicht im Stich lassen.", erwiderte er bestimmt. "Welches Recht habe ich zu fliehen, während andere hier ihr Leben lassen?"
Ormud trat auf den Grafen zu und stiess ihm den Finger gegen die Brust, "Weil der Kerl Recht hat. Mit euch steht und fällt Biarn's Anspruch auf die Krone und der Widerstand gegen die aufständischen Grafen. Ihr müsst euch retten. Sammelt eine neue Armee und stampft diese verräterischen Hunde dann in den Boden. Jetzt geh, du Narr! Es nützt nichts wenn du auch noch dein Leben weg wirfst."
Durien schaute den rothaarigen Hühnen für einen Moment verblüfft an. Schon lange hatte niemand mehr so mit ihm gesprochen und er hätte gerade diese Worte am allerwenigsten von Ormud erwartet. Er schaute sich um und die überlebenden Soldaten nickten ihm grimmig zu.
"Geht, Herr. Ich werde euren Anteil von den Untoten mit mir mitnehmen!", spöttelte einer, doch Durien sah die Furcht in den Augen des Soldaten. Umso mehr stieg sein Respekt vor diesem Mann.
"Los! Geh schon, Mann! Es ist nicht der rechte Augenblick um rührselig zu werden. Die haben bald das Tor eingeschlagen.", knurrte ein älterer Veteran. Der Graf von Tyre nickte hastig und wandte sich dann dem Fremden zu.
"Also, wie willst du mich von hier wegbringen?"

"Kommt mit!", sagte Reven nur und fasste Durien am Arm. Sie liefen eine Treppe hinauf auf den Wehrgang der Zitadelle. Reven blickte über die Stadt, die sich zu einem Grossen Teil in ein Flammenmeer verwandelt hatte, wo die Häuser nicht schon als verkohlte Überreste zusammengefallen waren. Er dachte an die Taverne, in der er einen guten Teil der letzten Wochen verbracht hatte und bedauerte, dass sie, die Wirtsleute und alle, die dort Stammgäste waren, vermutlich längst hinüber waren. Zum ersten Mal spürte er, dass vielleicht auch er nicht mit dem Leben hier raus kommen würde. Es gefiel ihm nicht, aber sein Verstand sagte ihm, dass er nicht wichtig war. Durien schon. Wenn Durien diesen Krieg nicht gewann, waren sie ohnehin alle geliefert.
Er sprang auf die Mauerkrone, konzentrierte sich auf Dach unter ihnen, über das bereits die Flammen leckten und fixierte die Luft darüber. Nach wenigen Atemzügen erstarben die Flammen, doch er musste warten, bis das Material abgekühlt war. Ausserdem waren im Moment zu viele Untote da unten. Er wartete. Dann ertönte hinter ihm ein lautes Krachen, als das Tor barst. Ohne hinzusehen packte er Durien fest am Unterarm und sagte: "Los, jetzt! Springt!"
Der Graf zögerte einen Moment, doch schliesslich liess er sich von Reven auf die Mauer ziehen, und dann riss Reven ihn einfach mit. Reven bremste ihren Fall ein wenig ab, dennoch gab das angesengte Dach ein bedrohliches Krachen von sich, als sie darauf landeten. Reven zog Durien weiter. Sie mussten so weit wie möglich weg, solange die Angreifer vor allem damit beschäftigt waren, die Zitadelle zu erobern.
Sie liefen über das Dach, schlitterten auf einen Anbau hinunter und landeten schliesslicha auf der Strasse. Durien fiel bei der Landung hin, Reven half ihm wieder auf die Füsse. Der Graf hielt sich besser, als er erwartet hätte. Immerhin waren Adelige sich nicht gewohnt, über Dächer zu laufen. Er sah sich nach beiden Seiten um und lief los, weg von der Zitadelle. Die Hitze der Brände brannte auf seiner Haut, aber er konnte es sich jetzt nicht leisten, eine Luftbarriere zu errichten. Er blieb an der Ecke stehen und stoppte Durien, bevor er in die nächste Strasse blickte. Einige Soldaten waren dort. Er fluchte leise, lief ein Stück zurück und nahm einen anderen Weg. Sie waren nicht weit gekommen, als das Klirren von Metall näher kam. Reven zog Durien in einen dunklen Hauseinang, der offen stand, weil die Türe eingetreten war. Der Dachstock des Hauses brannte schon, aber wenn sie Glück hatten stürzte er nicht gerade jetzt ein.
If you're going through hell, keep going.

Durien sah den Mann durchdringen an. "Wer seid ihr überhaupt und warum ist es in eurem Interesse mich zu retten?", fragte er und warf dann einen Blick zum Dachstuhl hoch. Plötzlich erschien ein einzelner Soldat im Türrahmen. Er trug das Livree von Dara und war offensichtlich noch lebendig. Bevor er einen Ruf ausstossen konnte traf ihn Durien's Parierdolch ins Auge und bohrte sich mit einem hörbaren Knacken durch den Schädelknochen. Bevor der Mann zu Boden fallen konnte hatte Durien ihn gepackt und ins Innere des Gebäudes gezogen. Mit einem Ruck riss er den breiten Dolch aus dem Schädel des Soldaten und liess den Körper achtlos fallen. Er würde nicht wieder aufstehen. Der Kopf war zu schwer beschädigt. "Also?"

"Man nennt mich Reven, den Landstreicher", antwortete Reven. "Ich rette euch, weil mir dieses Land und die Menschen, die es bewohnen, am Herzen liegen. Viele werden im Krieg sterben oder sind schon gestorben, aber diejenigen, die überleben, sollen in Freiheit leben."
Ihm wurde zum ersten Mal wirklich bewusst, dass er tatsächlich an diese Worte glaubte. Es war nicht nur etwas, was er daherredete, weil jemand es ihm gesagt hatte. Er glaubte wirklich aus daran. Mehr noch. Er war bereit, dafür zu sterben, wenn es keinen anderen Weg gab. Denn in dieser brennenden Stadt voller lebendige Tote wurde ihm klar, dass diese Worte möglicherweise alles waren, was von ihm und der Welt, in der er gelebt hatte, bleiben würde. Sie waren seine ganze Hoffnung.
"Kommt, Herr, wir müssen weiter."
If you're going through hell, keep going.

"Ein Magier als Landstreicher? Das erscheint mir Unglaubwürdig," sprach Durien langsam. Er hatte schliesslich gesehen wie Reven das Feuer gelöscht hatte. Als ihm auffiel wie undankbar er mit seinem Misstrauen erscheinen musste fuhr er fort, "Doch ihr helft mir und dafür bin ich euch dankbar. Was auch immer die Gründe für euer Leben sind, ich werde sie nicht hinterfragen. Aber erlaubt mir noch eine weitere Frage. Seid ihr alleine oder gibt es noch mehr von eurer Sorte?"

"Von meiner Sorte?", fragte Reven stirnrunzelnd. "Es gibt ziemlich viele Landstreicher. Und bestimmt auch eine Menge Magier."
Er blickte aus dem Hauseinangang. Die Luft war rein, nur ziemlich heiss. Schnell winkte er Durien und sie liefen weiter durch die engen Gassen. Nach einigen Windungen kam ihnen plötzlich ein Trupp Soldaten. Reven fluchte und machte auf dem Absatz kehrt, aber man hatte sie schon gesehen. "Hier lang!", zischte er Durien zu und bog in eine Seitengasse ein, während hinter ihnen Metall klirrte. Er wusste, dass sie über einen Bogen in eine Strasse führte, die direkt auf die Mauer zulief. Hinter ihnen klirrte Metall, als die Soldaten sich an die Verfolgung machten. Reven lief noch schneller, schlitterte um die Kurve - und stiess einen lauten Fluch aus. Der Weg war versperrt durch die brennenden Trümmer eines eingestürzten Hauses. Er fuhr herum, aber die Verfolger kamen bereits um die Ecke. Einige von ihnen waren tot, andere sahen aus, als könnten sie noch leben. Es war mehr als ein halbes Dutzend. Sie schwangen ihre Schwerte und stürmten auf sie zu. Einer hatte eine Armbrust. Er legte an. Reven riss beide Hände nach vorn und brüllte ein Wort.
Eine Druckwelle fegte durch die Gasse, erfasste die Soldaten und schmetterte sie gegen die Hausmauern, dass ihre Schädel förmlich zerplatzten. Reven ging in die Knie. Der Bolzen der Armbrust war seinem Zauber zuvorgekommen und hatte nur haarscharf sein Ziel verfehlt. Seine Wange brannte und als er mit der Hand darüber fuhr, war sie voller Blut, von einem langen Riss. Ein wenig weiter links und sein Schädel hätte mindestens ein Loch gehabt.
Er rappelte sich auf und taumelte gegen die Hauswand, als ihn plötzliche Schwäche erfasste. Er wirkte normalerweise keine so starken Zauber.
If you're going through hell, keep going.

![]() 0 Mitglieder und 6 Gäste sind Online |
![]()
Das Forum hat 111
Themen
und
30462
Beiträge.
|
![]() | Einfach ein eigenes Forum erstellen | ©Xobor.de |