"Oh, hallo! Ich hoffe ihr hattet eine erholsame Nacht. Ich bin der Bogenschütze", grüsste der Mann breit lächelnd und erhob sich. Er war um einiges jünger, als die vier, doch er war mit dem Bogen in der Hand aufgewachsen und das wussten sowohl Gerheer, als auch Samor zu schätzen. "Wollt ihr sofort aufbrechen? Die Schatulle habt ihr, oder?"
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"Jep", sagte Eran. "Wir könnten sie dir gleich geben, aber... eigentlich ist es uns lieber, wenn wir das erst tun, wenn wir die Stadt sicher verlassen haben."
Eran war dem Auftrag von Anfang an misstrauisch gegenüber gestanden und die letzte Nacht hatte das nicht gerade geändert. Ihm war es äusserst suspekt, warum dieses Feuer ausgebrochen war. Zufall war es bestimmt nicht gewesen, und auch wenn er im Hinterkopf immer noch Lor verdächtigte, wusste er eigentlich, dass der es nicht gewesen sein konnte. Also musste er sich fragen, warum ihr Auftraggeber Feuer gelegt hatte. Oder wer es sonst gewesen war.
If you're going through hell, keep going.

"Gut, dann folgt mir. Falls uns jemand begegnet oder begrüsst, was nicht der Fall sein sollte, aber falls, tut so, als seid ihr meine Gäste auf dem Heimweg", sagte er und sah den Wirt an und rief hinüber: "Gerheer wird dich später entlohnen." Danach verliessen sie die das Lokal und der Bogenschütze führte sie zuerst durch die Hauptstrasse, dann als eine Wache auftauchte, bogen sie links in eine Seitengasse, dann rechts in eine kleinere Strasse und folgten dieser.
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Sie führten die gesattelten Pferde am Zügel und erreichten schliesslich auf Nebengassen das Osttor. Es war bewacht, aber die vielen Leute, die ein und aus gingen wurden nicht alle kontrolliert, nur gelegentlich pickten sich die Wachen einen heraus. Wenn sie etwas Glück hatten, kamen sie hindurch, ohne dass man sie eines Blickes würdigte.
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Die Wache winkte sie jedoch zur Seite. Der Bogenschütze zögerte, dann erkannte er den Wachmann.
Breit lächelnd trat er vor gefolgt von den vier Männern, die sich nervös einige Worte zuwarfen.
"Arador! Was ist los mein Freund? Gefällt dir mein Haarschnitt nicht?", fragte der Schütze grinsend. Die Wache blickte ihm grimmig entgegen, grüßte knapp und erklärte die Situation. "Diese Arschlöcher haben dreißig unserer Kameraden auf dem Gewißen, Kawin, und du grinst wie ein Verrückter!", schalt der Wachmann. Kawin, der Schütze, zeigte sich wahrlich erstaunt. Er hätte nimmer mit so vielen Verlusten gerechnet.
Nach einigem Wortwechsel, ließ die Wache sie jedoch paßieren.
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Sie gingen noch einige dutzend Meter weit auf der Strasse, die aus dem Tor führte, dann hielten sie inne. Die Söldner schwangen sich in den Sattel, nur Eran blieb noch stehen. "Hier", sagte er zu dem Bogenschützen und reichte ihm die Schatulle, die er unter seinem Mantel verborgen hatte. Dann sass auch er auf, sie nickten dem Bogenschützen zum Abschied zu und ritten davon.
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Der Bogenschütze sah ihnen nach. Die Schatulle hatten sie wahrscheinlich nicht geöffnet. Es war auch nicht viel wertvolles darin. Zumindest nichts das für irgendjemand anderen einen Wert hatte ausser Sindras, denn die Schatulle enthielt Briefe. Briefe seiner verstorbenen Liebhaberin. Kawin seufzte und machte sich auf den Rückweg. Bis zum Abend musste er die Schatulle gut bewahren. Er blieb nochmals kurz bei den Wachen stehen, holte ihnen ein Fässlein Bier und stiess mit ihnen auf die Gefallenen an, dann ging er in die Herberge, wo er auf Gerheer warten würde.
Er stellte sich seinen Boss an, wie er von Samor zusammengestaucht wurde. Samor war nicht der Typ Mensch, der schnell wütend wurde, aber wenn, dann richtig. Und der Verlust so vieler Wachen war etwas, worüber sogar Samor kein blindes Auge schweifen liesse. Er seufzte, ging in sein Zimmer, verstaute die Schatulle und setzte sich unten in der Schenke zu den Männern, die er noch letzte Nacht über die Dächer hierher geführt hatte.
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Sie kamen an diesem Tag ein gutes Stück voran, bis sie am Abend in einem Gasthaus in irgend einem kleinen Dorf einkehrten. Sie gönnten sich zum Abendessen eine deftige Mahlzeit, mit Braten und allem, schliesslich hatten sie nun eine hübsche Summe Geld. Lor achtete jedoch darauf, den Wirt nicht alles sehen zu lassen, das hätte nur aufsehen erregt.
Während Eran von seinem Bier trank, Devro sich eine halbe Kartoffel in den Mund schob und Lor herzhaft in ein Stück Fleisch biss, meinte Pave unvermittelt: "Vielleicht sollten wir zurückkehren. Die Sache da scheint ziemlich heiss zu sein. Sie könnten uns nochmal brauchen."
Die anderen starrten ihn gross an. Von Pave hätten sie zuletzt so eine Aussage erwartet. "Ich glaube, das ist keine gute Idee...", begann Devro und Eran unterbrach ihn. "Auf gar keinen Fall! Mich kriegen keine zehn Pferde wieder in die Stadt, bevor sich der Trubel nicht einige Monate gelegt hat. Diese Intrigen sind was für die Adligen, sollen die sich dabei vergiften. Das ist nichts für uns."
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Am Abend traf Gerheer auf einen unerwarteten Gast in ihrer Runde. Samor. Der Kronprinz sass da, die Stirn an den Fingern gestützt und den Ellbogen an der Armlehne. Er wirkte angespannt, entgeistert. Gerheer schluckte trocken, als er den Ausdruck der Männer sah. Die meisten blickten leer zu Boden. Einzig und allein der Bogenschütze Kawin, den nichts aus der Fassung zu bringen schien und der sich ganz im Hintergrund aufhielt, zuckte mit den Schultern und formte mit den Lippen ein 'es tut mir Leid', doch dies half nichts. Gerheer stand da, knetete seine Finger in der behandschuhten Hand und kniete sich dann vor seinen Herren hin. "Mein Herr", hauchte er, er wusste nicht, was er sonst sagen sollte. Seine Bewegungen waren steif und sein Atem ging stossweise, er hatte Angst. Zum ersten Mal in seinem Leben vor seinem Herrn, dem gutmütigen Prinzen. Doch dieser sass nur schweigend da und rührte sich nicht, bis auf seine Augen die jetzt ausdruckslos auf Gerheer ruhten. "Gerheer", der Name kam heiser über Samors Lippen, heiser und emotionslos, so als wäre es eine Feststellung oder ein ausgesprochenes Urteil. "Ja mein Herr?", die zittrige Stimme des Freundes füllte den leeren Raum, von aussen drangen stumpf die Geräusche der Strassen herein, doch niemand wagte es einzutreten, es schien so, als würden alle das Lokal aus Furcht vor dem Zorn des Thronfolgers meiden und nicht wegen des Schildes, das 'wegen Umbau geschlossen' ankündigte.
"Gerheer. Was hat dich bloss geritten?", fragte der Prinz und er klang so, als spräche er im Traum, aus weiter Ferne, so als wolle er nicht die Wahrheit begreifen.
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"Hm", meinte Lor nachdenklich.
"Ich meine nur...", begann Pave, aber Devro unterbrach ihn. "Eran hat recht, die Sache ist zu gefährlich. Du hast gesehen, wie viele Leute da umgekommen sind, da ist jemand nicht zimperlich. Wenn er keine Mitwisser will, räumt er uns aus dem Weg."
"Sind wir Memmen oder was?", fragte Pave. "In wie vielen Schlachten habt ihr gekämpft? War das etwa nicht gefährlich?"
"Ja, doch", meinte Devro. "Aber das ist etwas anderes..."
"Wieso? Was wir tun, ist dasselbe, und so oder so kann man umbegracht werden, ich sehe nicht..."
"Das ist nicht dasselbe", sagte Eran bestimmt. "In einer Schlacht weisst du, wer dein Feind ist, hier hast du keine Ahnung, wer dich alles umbringen will. Wir blicken nicht durch, deshalb lassen wir es besser bleiben, und kämpfen da, wo wir drauskommen."
"Das stimmt jetzt nicht ganz", wandte Devro ein. "Ich war mal bei einer Schlacht dabei, da haben sie ein ganzes Fähnlein in den Tod rennen lassen. Das war so geplant, um den Feind in eine Falle zu locken, haben wir nachher erfahren, aber die armen Schweine wussten nichts davon und wurden alle massakriert."
"Ja, aber..."
"Andere Frage", unterbracht Lor das Gespräch unvermittelt. "Was machen wir eigentlich, wenn wir nicht zurückkehren?"
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