RE: Nebelsee und nördliche Ausläufer der Drachenberge
in Dreitan - das Spiel 28.01.2014 20:01von Úrakantôr •

Kraigor hatte dem Dunkelschatten lediglich einen heftigen Tritt gegen den Kopf verpasst, der ihn ins Land der Träume befördert hatte. Es war ohnehin schon zu viel Blut vergossen worden. Dann war er den anderen gefolgt und sie rannten über die Dächer, bis sie zu viert den vereinbarten Treffpunkt erreicht hatten, an dem die Piraten mit den Pferden warteten. Erst einen überfallen und dann einem helfen. Das ergab für ihn keinen Sinn.
And he wondered...how can I protect something so perfect without evil?

RE: Nebelsee und nördliche Ausläufer der Drachenberge
in Dreitan - das Spiel 28.01.2014 20:13von Randreyah •

Elira umarmte Rewona rasch zum Abschied und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. "Danke,danke, danke!", sagte sie, sprang beinahe auf ihr Pferd. "Bis irgendwann, Meister Rewona!", rief sie nach hinten zurück, winkte kurz den Piraten und preschte von den anderen beiden gefolgt davon. Sie ritten wie dir Teufel nach nordosten, lange, bis sie sich sicher waren, nicht verfolgt zu werden und ihre Pferde erschöpft schnaubten. Sie ritten langsam weiter, bis sie zu einem Dorf kamen, Proviant kauften - die Piraten hatten nur die Hälfte ihres Geldes behalten - und dann dem Seeufer weiter nach Norden folgten.
some men just want to see the world burn

RE: Nebelsee und nördliche Ausläufer der Drachenberge
in Dreitan - das Spiel 28.01.2014 20:31von Ro Raven •

Nach drei Tagen überquerten sie den Fluss, der aus dem Gebirge herunter in den See strömte, dann folgten sie dem Ufer einen weiteren Tag in Richtung Nordwesten, bis sie die nördlichsten Ausläufer der Berge erreicht hatten, um dort nach Osten zu biegen. Ohne die Priester Lovits als Begleitung mussten sie die Berge so weit als möglich umgehen, denn ansonsten liefen sie Gefahr, den Dämonen in die Hände zu fallen, und Dreshar hatte den Verdacht, dass sie dort nicht mit dem Leben davon gekommen wären, zumindest er und Elira nicht.
If you're going through hell, keep going.

RE: Nebelsee und nördliche Ausläufer der Drachenberge
in Dreitan - das Spiel 28.01.2014 20:51von Randreyah •

Sie brauchten eine Woche, bis sie auf gleicher Linie wie der namenlose Berg waren. Sie mussten in einem Dorf, nahe dem Fuss des Berges erneut Proviant kaufen, dann machten sie sich auf den Aufstieg.
Anfangs führten die Pässe nicht besinders steil, durch Wälder hinauf, doch sobald sie die Baumgrenze, nach einigen Tagen erreicht und verlassen hatten, verwandelten sich die angenehmen Routen in einen steilen, steinigen und schmalen Pfad, welcher zwischen Klippen und Gletschern hindurch nach oben zu den drei Gipfeln und dann nach Lovit führte.
Sie mußten oft rasten, da die Luft immer dünner wurde und weder sie, noch die Reittiere daran gewohnt waren.
Kalter Wind machte ihnen zu schaffen, doch nach etwas mehr als Woche in den Bergen erreichten sie Lovit.
Elira hatte ihre Freude daran gefunden sich über die Bärte von Kraigor und Dreshar zu amüsieren und hatte sie dazu angestiftet einen Wettbewerb zu veranstalten. Derjenige, der den längeren Bart am Schluss ihrer Reise hatte, würde sich eine Silbermünze verdienen. Momentan führte der Schütze.
Sie erreichten Lovit an einem Abend in der zweiten Aprilwoche. Die grossen Mauern, die zwei prächtige Mosaike zierten, schienen sie zu grüssen und doch einschüchtern zu wollen. Elira steig aus dem Sattel, führte ihr Pferd an das grosse runde Tor und klopfte. Nach einer gefühlten Ewigkeit öffnete man ihnen und bat sie freundlich herein.
(Um sie herum sind übrigens Klippen, aber von einem Meer aus Wolken bedeckt..sie stehen auf dem runden Landeplatz für Drachen. Und die Mauern sind fasr direkt am Rand des Plateaus erbaut worden...also mit n paar metern Abstand...falls da mal was bröckeln sollte ^^)
->Lovit S.74
some men just want to see the world burn

RE: Nebelsee und nördliche Ausläufer der Drachenberge
in Dreitan - das Spiel 29.01.2014 01:56von Ro Raven •

Mitte April, Dorf am Westufer des Sees
Melissa lag in dem Bett, das sie sich mit ihrer kleinen Schwester teilte. Das Mädchen hatte sich an sie geschmiegt, denn erstens war es kalt und zweitens war da eh nicht mehr Platz. Ihr Atem ging ruhig im Schlaf.
Melissa hingegen schlief nicht. Sie blickte an die Decke und fragte sich, ob ihr Vater sie jetzt für immer anschweigen würde. Er hatte sie nicht mehr geschlagen und sie nicht mehr angeschrien, aber er sprach kein Wort mit ihr, als wäre sie nicht mehr da, oder als wäre sie nur ein Hund oder ein anderes nützliches Tier und nicht seine Tochter. Das tat weh.
Was war denn so schlimm daran? Warum fand er es so schrecklich, dass sie die Nacht mit diesem Kraigor verbracht hatte? Niemand wartete wirklich bis zur Hochzeit. Machte es denn so einen Unterschied, ob man es mit einem aus dem Dorf machte oder mit einem Fremden? Wieso hatten alle so ein Problem mit Fremden, wenn es um so etwas ging? Immer gerne mit ihnen Handeln, aber sie sollen bloss nicht jemanden von hier heiraten oder gar hierherziehen wollen. Diese Leute waren alle so furchtbar verstockt und langweilig! Was war ihr denn da anderes übrig geblieben als ein Fremder?!
If you're going through hell, keep going.

RE: Nebelsee und nördliche Ausläufer der Drachenberge
in Dreitan - das Spiel 30.01.2014 02:59von Ro Raven •

Ende April 308
Zwei Wochen später war Melissa mit ihrer Mutter am See beim Kleiderwaschen. Sie klopfte gerade ein Hemd auf einem flachen Stein aus, als ihre Mutter völlig unvermittelt fragte: "Bist du schwanger?"
"Was?", fragte Melissa einen Moment lang verständnislos, dann antwortete sie: "Nein!"
"Bist du dir sicher?", fragte ihre Mutter und sah sie ernst an. "Wenn du es bist, dann musst du es mir sagen. Ich habe mit deinem Vater gesprochen. Wenn du schwanger bist, musst du das Kind wegmachen lassen."
"Ich bin nicht schwanger!", rief Melissa aufgebracht. "Ganz sicher! Ich habe..." Dann erst sickerte der zweite Teil von dem, was ihre Mutter gesagt hatte, zu ihr durch. "Ich müsste was?!"
Sie starrte ihre Mutter völlig entgeistert an. Wie konnte, wie könnte er so etwas von ihr verlangen?! Zorn kochte in ihr hoch.
"Sieh, es ist...", begann ihre Mutter, aber Melissa hörte bereits nicht mehr zu. Sie liess alles fallen und stolperte die kurze Uferböschung hinauf.
"Melissa!", rief ihre Mutter ihr noch nach, doch sie hatte die Türe bereits erreicht und riss sie auf. Ihr Vater sass am Tisch und ass eben zu Mittag, hob nur kurz den Blick und ignorierte sie dann wie üblich. Von ungläubiger Wut erfüllt rief Melissa: "Das kannst du nicht tun! Würdest du wirklich von mir verlangen, dass ich mein eigenes Kind umbringe?! Würdest du das wirklich?!"
Er sah sie an, zum ersten Mal wirklich seit fast eineinhalb Monaten, und sein Blick war kalt. "Mir kommt kein Bastard ins Haus!", sagte er nur.
Melissa stürzte zu ihm an den Tisch und stützte sich darauf ab. "Aber das wäre Mord! Wie kannst du nur!", schrie sie. "Wie kannst du so etwas von mir verlangen?!"
"Du hast einen Fehler gemacht", sagte er ganz ruhig und schnitt sich eine Scheibe Brot ab. "Du musst die Konsequenzen tragen."
"Niemals!", schrie sie. "Lieber gehe ich, und komme nie wieder!"
"Sei nicht dumm, Melissa", sagte er und belegte das Brot. "Du kämst nicht weit. Du tust, was ich dir sage." Er hob das Brot zum Mund, um hineinzubeissen.
Melissa verlor die Nerven über seine Kaltblütigkeit. "Du... du Scheusal", schrie sie und schlug ihm das Brot aus der Hand.
Im nächsten Moment flog ihr Kopf herum und ihre Wange brannte von der Ohrfeige, die er ihr verpasst hatte. Sie starrte ihn an und wich langsam zurück, dann drehte sie sich ohne ein Wort um und rannte davon.
If you're going through hell, keep going.

RE: Nebelsee und nördliche Ausläufer der Drachenberge
in Dreitan - das Spiel 30.01.2014 03:29von Ro Raven •

Melissa lag auf dem Heuboden, auf dem sie mit Kraigor gewesen war, und weinte. Sie war schon früher oft hier gewesen, um sich zu verstecken, wenn sie sich mit jemandem gestritten hatte, es war ein Ort, der ihr viel bedeutete und noch mehr seit jener Nacht. Verzweifelt klammerte sie sich an das Heu, als fände sie darin noch seinen Geruch, denn er schien ihr der einzige Mensch, der nicht ein komplettes Arschloch war.
Nach einer ziemlich langen Weile hörte sie auf zu schluchzen, und blickte hinauf zu dem Fenster, zu dem Sonnenlicht hineinfiel. Während sie dalag wurde das Licht erst golden, dann schwächer und rötlich und schliesslich blau und grau, bevor die Dämmerung es mit sich nahm und Dunkelheit zurückliess, die nach einer Weile vom Mond abelöst wurde.
Sie wusste, dass sie nicht ewig hier liegen konnte. Aber genauso wenig konnte sie nach Hause zurückkehren. Sie war nicht schwanger, aber so oder so. Nie wieder wollte sie mit diesem Arschloch unter einem Dach leben, nie, nie wieder.
Als sie begriff, was das bedeutete, begann sie erneut zu schluchzen. Wieso? Das war doch nicht ihre Schuld? Was hatte sie denn falsches getan?! Aber ihr blieb keine andere Wahl. Wenn sie sich nicht selbst aufgeben wollte, dann musste sie gehen. Es tat nur so weh. Und sie hatte Angst. Sie drückte das Gesicht in die Heuhalme und weinte.
Irgendwann schluckte sie die letzten Tränen hinunter. Sie setzte sich auf und wischte sich das Gesicht trocken. Dann kletterte sie die Leiter hinunter.
Sie schlich leise in das Haus ihrer Eltern, bedacht darauf, ja niemanden zu wecken. Aus einer Truhe stahl sie Kleider ihres älteren Bruders und stopfte sie in eine Tasche, zusammen mit Brot und Käse, dann öffnete sie das geheime Fach in der Wand und nahm einige Münzen von dem Geld, das dort aufbewahrt wurde. Es tat ihr nicht leid.
Sorgfältig schloss sie die Schublade wieder, verliess das Haus und zog leise die Türe hinter sich zu. Dann machte sie sich auf den Weg in Richtung Osten.
If you're going through hell, keep going.

RE: Nebelsee und nördliche Ausläufer der Drachenberge
in Dreitan - das Spiel 03.02.2014 01:07von Ro Raven •

Sie wanderte dem See entlang. Ihr war kalt, obwohl es für März eine recht laue Nacht war, und vor allem hatte sie Angst. Der Mond verschwand immer wieder hinter vorüberziehenden Wolken, und dann war es ganz schwarz zu beiden Seiten des Weges. Ständig glaubte sie, dort den Umriss einer Gestalt zu sehen, und bei jedem Geräusch zuckte sie zusammen und glaubte, jemand oder etwas stürze sich auf sie. Schliesslich war sie mit den Nerven so am Ende, dass sie fast weinte, und nur noch nach Hause wollte. Aber der Weg zurück war genau so beängstigend wie der weiter voran, deshalb kroch sie die kurze Böschung hinunter zum See und presste sich zitternd zwischen zwei Felsen, um dort auszuharren, bis es hell würde.
Irgendwann nickte sie ein, aber sie schlief schlecht, erwachte immer wieder und wusste nicht, wo sie war, bis sie sich wieder erinnerte. Als es endlich begann hell zu werden, war sie todmüde, aber sie rechnete nicht damit, dass sie hier noch besser schlafen würde, also stand sie auf und vergewisserte sich, dass weit und breit niemand zu sehen war. Dann zog sie ihre Bluse und ihren Rock aus und die Hose ihres Bruders an. Den Rock riss sie in lange Streifen, auch wenn es ihr innerlich wehtat, und band sich damit die Brust ein, den Rest verwendete sie als Beinwickel, um die Hose unten zu fassen, die ihr ein gutes Stück zu lange war. Dann nahm sie das Küchenmesser zur Hand, das sie mitgenommen hatte, fasste mit einer Hand ihren langen Zopf und schnitt ihn ab.
Es war ein sehr merkwürdiges Gefühl. Plötzlich war ihr Kopf so viel leichter. Und doch lastete die Endgültigkeit dieser Tat auf ihr wie ein schweres Gewicht. Bis zu diesem Zeitpunkt hätte sie noch umkehren können. Aber jetzt war es zu spät. Eine Träne rann ihr über die Wange. Sie liess den Zopf auf die Steine fallen, fasste die noch längeren Haarsträhnen und säbelte sie ab. Es dauerte eine Weile, aber schliesslich konnte sie mit der Hand durch die Haare fahren, ohne dass sie eine Strähne spürte, die länger als fünf Zentimeter war. Sie klopfte sich die Haare ab und zog sich das Hemd über den Kopf, dann beugte sie sich hinunter zu einem Flecken stillen Wassers zwischen den Steinen, um ihr Spiegelbild anzusehen. Die dunklen Haare standen ihr in alle Richtungen ab und ihr Gesicht wirkte blass vor Müdigkeit. Zwar war es recht fein, aber es konnte als das eines Jungen durchgehen, wenn auch als das eines jüngeren, als sie eigentlich war.
Sie stand wieder auf, zog ihre Schuhe an, band die Hose, die ihr dauernd drohte runter zu rutschen, mit dem Gürtel fest, und schob das Messer dort hinein. Dann wickelte sie den Zopf in ihre Bluse und legte beides unter einige Steine. Es fühlte sich an, als würde sie sich selber begraben. Du bist jetzt nicht mehr Melissa, sagte sie sich. Du bist jetzt Meleth. Meleth. Merk dir das.
Dann machte sie sich auf den Weg weiter nach Osten, in Richtung Kradna.
If you're going through hell, keep going.

RE: Nebelsee und nördliche Ausläufer der Drachenberge
in Dreitan - das Spiel 19.02.2014 00:05von Ro Raven •

Anfang Mai 308
Sie erreichte Kradna nach drei Tagen. Zu Fuss ging sie über die Brücke, darauf bedacht, jedem entgegenkommenden auszuweichen, und traute sich niemandem ins Gesicht zu sehen. Die letzten drei Tage hatte sie ständig geschwankt zwischen der furchtbaren Angst, allein zu sein, und der Angst, dass sie, wenn sie unter Leuten war, diese erkennen konnte, dass sie sich verkleidete. Letztere hatte gesiegt. Aber sie wusste, dass es nicht so weitergehen konnte. Ihre Vorräte gingen zur Neige. Sie würde etwas zu Essen kaufen müssen. Aber das Geld würde auch nicht lange halten. Sie wusste nicht, was sie dann tun sollte.
If you're going through hell, keep going.

RE: Nebelsee und nördliche Ausläufer der Drachenberge
in Dreitan - das Spiel 20.02.2014 13:09von Ro Raven •

Sie hatte logisch überlegt. Das Geld musste so lange reichen, bis sie wusste, wie sie neues bekommen konnte, respektive so lange wie möglich, denn ihr fiel erst mal überhaupt nichts ein. Also war sie eine Weile durch die Strassen gelaufen und hatte alle Preise verglichen, um schliesslich das billigste Essen zu kaufen, was sie fand, nämlich einige getrocknete Fische. Dann hatte sie sich die Stadt sehr gründlich angesehen, um zu wissen, wo was war. Sie wollte sich nicht verirren. Schliesslich, als sich der Tag dem Ende zuneigte, hatte sie sich auf die Suche nach einem Schlafplatz gemacht. Dass sie in ein Wirtshaus ging kam natürlich nicht in Frage, das war viel zu teuer, aber sie brauchte einen sicheren, möglichst trockenen Platz, am besten irgendwo drinnen. In einem Stall zum Beispiel, oder auf einem Dachboden.
Sie streifte eine Weile umher und fand schliesslich einen Lagerschuppen, dessen Tür nur angelehnt war. Aufmerksam wartete sie und lauschte, ob nicht jemand darin war, und als es eine ganze Weile still geblieben war, wartete sie einen unbeobachteten Moment ab und huschte hinein. Der Raum war nicht sehr gross und eine Menge Säcke und Seile stapelten sich darin, eine kurze Treppe führte hinauf auf eine Galerie, auf der noch mehr Zeug stand. Sie stieg hinauf, denn sie schlief lieber auf Holzboden als auf Lehm und schob einige Kisten so beiseite, dass sie sich hinlegen konnte. Durch das kleine Lüftungsloch unter dem Dach betrachtete sie den Himmel, der immer dunkler wurde, hörte den Geräuschen von der Strasse her zu und fühlte sich eigentlich gar nicht so schlecht - so lange sie ausblendete, dass ihr Geld auch mit Trockenfischen nicht lange reichen würde und sie immer noch keinen Plan hatte.
Sie wurde durch Stimmen geweckt. Es war längst dunkel draussen, doch nun fiel Lampenlicht an die Holzwand über ihrem Kopf und sie hörte, wie im unteren Teil des Raumes Leute sprachen. "Das hier muss runter zum Kai!", befahl eine Stimme, Kisten wurden gerückt und Schritte ertönten. Melissa war klar, dass sie kaum hier sein durfte, und dass es vermutlich Ärger geben würde, wenn man sie entdeckte, also kroch sie ganz leise weiter nach hinten, so weit wie möglich in die Dunkelheit und hoffte, dass die Leute nicht hier hoch kamen und bald wieder gingen.
Eine Weile lang schien es, als hätte sie Glück, es gingen nur immer Männer durch das Tor ein und aus und schleppten dabei Säcke und Kisten nach draussen, doch dann knarrte plötzlich die Leiter. Panisch suchte sie nach einem Versteck und fand keines und noch bevor ihr irgendein Ausweg einfiel, war der Mann auch schon oben und entdeckte sie. "Hey, was hast du hier oben verloren?!", fragte er mit einem Tonfall, der klar machte, dass sie hier absolut nichts verloren hatte.
"Nichts", sagte Melissa schnell. "Tut mir leid, ich gehe sofort..."
"Das könnte dir so passen!", knurrte der Mann. "Hältst du mich für dumm?!"
"Es tut mir leid", sagte Melissa verzweifelt und wirkte dabei absichtlich noch ein wenig verzweifelter als sie war, während sie seiner Hand auswich, die nach ihrem Kragen griff. "Ich wusste nicht, dass ich nicht hier sein darf. Ich wollte nicht stören. Ich dachte nur..."
"Spar dir deine Ausreden", sagte der Mann. "Ich lasse mich doch nicht von einem Dieb verarschen."
"Aber ich bin kein Dieb", beteuerte Melissa, während sie weiter zurückwich und mit dem Rücken gegen die Wand stiess. "Ich habe nichts gestohlen. Ehrlich."
"Ahja?", meinte der Mann höhnisch. "Das wollen wir doch mal sehen."
Er streckte die Hand nach ihrer Schulter aus, um sie zu packen, aber in diesem Moment duckte sie sich unter seinem Arm hindurch und versuchte, an ihm vorbei zu laufen. Er fluchte, griff nach ihr und bekam sie am Kragen zu fassen. Ohne nachzudenken drehte sie sich um und biss ihm in die Hand, er liess einen Moment lang locker, sie riss sich los und rannte halb, halb sprang sie die Treppe hinunter, lief in einen verdutzten Träger, der ihr entgegenkam, seine Kiste fallen liess und sie anfluchte, gelangte an ihm vorbei aus der Türe und rannte davon.
Erst nach einigen Strassenzügen, als sie völlig ausser Atem war, wagte sie anzuhalten und sich umzudrehen. Sie sah niemanden, der sie verfolgte. Vielleicht hatten sie gar nicht gesehen, in welche Richtung sie gerannt war. Trotzdem besser, sie blieb nicht hier stehen, sondern brachte so viel Distanz wie möglich zwischen sich und den Schuppen.
Schliesslich landete sie, ohne dass es wirklich ihre Absicht gewesen wäre, beim Hafen. Hier waren trotz der späten Stunde noch immer Leute unterwegs, Träger, die Schiffe beluden und entluden, Fischer, die ihren Fang von Bord brachten oder sich für die nächste Fahrt vorbereiteten, Matrosen, die besoffen umhertaukelten, Huren, die ihnen etwas zum sich dran festhalten anboten, und die Wachen, die aufpassten, dass alles mit rechten Dingen vor sich her ging.
Melissa sah sich um. Sie war müde und am liebsten hätte sie sich anfach auf dem Boden zusammengerollt und geschlafen. Aber das war zu gefährlich. Sie konnte ausgeraubt werden. Oder jemand konnte merken, dass sie eine Frau war und ihr noch schlimmeres antun. Wenn sie draussen schlief, dann zumindest an einem Ort, wo nicht jemand über sie stolperte. Sie ging den Kai entlang. Am Ende der Anlegestellen für die grösseren Schiffe waren einige Bootshäuser, bei denen Fischerboote festgebunden waren. Unter den Häusern, die halb auf Stelzen standen war trockengefallener Kiesstrand.
Sie sprang von der Hafenmauer hinunter ins Kies und ging vorsichtig auf das erste der Häuser zu. Der Bereich darunter lag im Schatten, aber sie konnte die Umrisse einiger halb vermoderter Kisten zu sehen. Sonst schien da nichts zu sein. Also kein Grund, warum irgendjemand nachts hier runterkommen sollte. Sicherheitshalber lauschte sie noch einmal, hörte nichts und schlich dann geduckt unter das Haus, setzte sich neben einen der mittleren Pfosten, lehnte sich dagegen und atmete erleichtert aus. Endlich.
Sie wollte sich gerade hinlegen, um zu schlafen, als sie ein Schaben hinter sich hörte, wie von etwas, das sich im Kies bewegte. Erschrocken fuhr sie herum. Vielleicht hatte es hier Ratten. Oder Schlange.
Die krächzende Stimme stellte klar, dass es keines von beidem war. "Magst auch n'Schluck, Jungchen?"
If you're going through hell, keep going.

![]() 0 Mitglieder und 9 Gäste sind Online |
![]()
Das Forum hat 111
Themen
und
30462
Beiträge.
|
![]() | Einfach ein eigenes Forum erstellen | ©Xobor.de |