Für einen Moment erwog Numair einfach in Rowenias Armen liegenzubleiben, doch als sie von sich schob, stand er mit einem unterdrücktem Seufzer auf, zog sich etwas schlichtes an und ging zur Türe. "Was ist?", fragte er und öffnete die Türe, wobei er sich nicht nahm noch einmal herzhaft zu gähnen.

Als die Tür offen war, grüsste der Diener seinen Herren. "Die Königin hat nach euch gerufen. Kor ist gefallen und sie wünscht, dass ihr innert eines Tages nach Loney aufbrecht. Der Bote, eilte mich, euch sofort die Nachricht zu überbringen. Er steht noch unten im Flur", berichtete er.
Rowenia war ebenfalls aufgestanden und legte Numair eine Hand auf den Rücken. Sie wollte nicht, dass er ging. Wenn Kor gefallen war und der Feind nun hierher zog...

"Ich werde noch in einer Stunde aufbrechen.", erwiderte Numair mit einem mal hellwach. Er schickte den Diener wieder weg und drehte sich zu Rowenia um. "Würdest du mit mir nach Loney kommen?", fragte er sie und nahm ihre Hände in die seinigen. "Du weisst, dass ich gehen muss, wenn sie mich ruft und ich würde dich gerne an meiner Seite wissen, wenn ich an den Hof zurückkehren muss."

Sie war froh, das zu hören und erleichtert, sich nicht mit ihm darüber streiten zu müssen, denn sie hätte von sich aus darauf bestanden. "Natürlich. Ich wäre so oder so mitgekommen", meinte sie und grinste halb.

Eine Stunde später waren die Pferde bereit und Numair verabschiedete sich von seinen Geschwistern, nachdem Rowenia sich verabschiedet hatte. Er half ihr in den Sattel, schwang sich in den seinen und sie ritten in Begleitung zweier Soldaten los.

Sie hatten scheussliches Reisewetter. Die ganze Zeit über goss es wie aus Kübeln und die Strasse schien sich in ein Schlammloch verwandelt zu haben. Trotz ihrer geteerten Reisemäntel waren sie nass bis auf die Haut, als sie endlich in Loney ankamen und sie brauchten drei volle Tage. "Den Göttern sei dank. Endlich sind wir da!", murmelte Numair, als sie sich vor den Stallungen abstiegen. Ab der Hüfte nach unten war er voller Schlamm und er blickte missmutig an sich herunter. "So scheussliches Wetter habe ich selten erlebt.", brummte er und reichte Rowenia dann den Arm. "Komm! Lasst uns hineingehen. Ich bin mir sicher sie werden ein warmes Bad für uns übrig haben."
Sie hatten tatsächlich eines. Frisch gewaschen und rasiert, trat Numair eine halbe Stunde später vor Maeva und den anderen Mitgliedern ihres Rates.

"Earl von Midvale", begrüßte ihn Maeva freundlich und froh, ihn zu sehen. Auch die anderen begrüssten ihn.
"Ich hoffe ihr hattet eine einigermassen angenehme Reise, trotz des Wetters... Setzt euch. Etwas Wein für den Earl und bringt uns Tee", wies sie einen Diner an, welcher mit der Weinkarraffe in einer Ecke stand. "Sehr wohl, Eure Majestät", meinte er, reichte Numair einen Kelch und schenkte ihm ein, bevor er sich durch den Bediensteteneingang davon machte, um Tee aufzubrühen.
"Ihr habt sicherlich die Botschaft vom Fall Kors erhalten. Nun, die Armee scheint sich nicht zu rühren, den Berichten unserer Späher zufolge", erklärte einer der Berater, "Wir waren gerade dabei zu besprechen, wie wir Kriegsschiffe zum Spiegelsee schaffen könnten. Die Elfen scheinen nämlich an einem Bündnis mit Loney sehr interessiert."
"Genau. Aber, da ihr nun hier seid, sollten wir wohl besser etwas anderes besprechen", meinte Maeva. Einer der Berater kicherte. Maeva blickte ihn fragend an. "Verzeiht", meinte er, "Aber ich glaube nicht, dass der Earl damit einverstanden wäre."
"Das lasst ihn entscheiden, Count Loyd", meinte sie lächelnd und räusperte sich. "Numair, ihr sollt im Kriegsfall den Nordwesten Loneys verteidigen", verkündete sie, "Aber da ihr kein Count seid, kann ich euch nicht als Oberbefehlshaber einsetzen, da Count Ewinor seine Ländereien dort hat. Er würde sich vor den Kopf gestoßen fühlen." Der Diener kam mit Holunderblüten Tee herein und Maeva nahm ihren entgegen.
"Wir konnten uns aber auf keinen anderen einigen, da jeder von uns bereits eine Aufgabe hat und den anderen Counts, nicht zu vertrauen ist", meinte Count Loyd. Anwesend waren sieben Männer, davon waren drei Counts. "Exakt", meinte Maeva, "Das einfachste wäre daher, euch zum Count zu ernennen und somit in den Hochadel aufzunehmen. Somit müsstet ihr nicht alle zehn Jahre ersuchen, euere Grafschaft behalten zu dürfen. Midvale würde also auch ganz offiziell eurem Geschlecht gehören. Schwarzschnee ebenfalls."

Numair überlegte einen Augenblick und verneigte sich dann tief vor ihr. "Es wäre mir eine Freude diese Ehre annehmen zu dürfen.", sagte er schliesslich.

"Du schuldest mir zwanzig", raunte der Berater neben Loyd diesem zu und grinste. "Erhebt euer Haupt und nehmt Platz Count", bat Maeva, "Kzir gebt Numair seine Kopie der Listen und Karten... Gut. Ihr könnt darin die Anzahl der Soldaten finden, die euch unterstellt sind und die Namen der Generäle und Offiziere. Auf der Karte könnt ihr sehen, welche Ländereien unter eurem Schutz stehen und welche dem der anderen Counts. Und jetzt können wir uns auf die Frage konzentrieren, wie wir die Schiffe zum Spiegelsee bringen. Vorschläge?"

"Bäume.", erwiderte Numair. "Graf Durien hat mir eine Anekdote darüber erzählt. Bei einer Handelsreise nach Kradna war der Fluss an einer Stelle unpassierbar geworden. Grund war irgendein Steinschlag. Sie schlugen Bäume und rollten das Schiff über das Land hinweg. Allerdings war dies ein kleines Handelsboot mit flachem Rumpf und kein Kriegsschiff, ausserdem mussten sie das Schiff auch erneut abdichten, da einige Lecks entstanden, doch falls wir die Hilfe von den Elfen erhalten und sie uns einige Magier zur Seite stellen, könnten wir vielleicht einen Kanal graben."

Man fand den Vorschlag nicht shlecht aber Maeva war nicht überzeugt. "Es wird wahrscheinlich zu lange dauern, die Schiffe, müssen immerhin noch gebaut werden. Bis sie hier sind und den Fluss hinauf, dann muss man sie noch einige Kilometer über Land befördern. Wie viele Wochen oder Monate würde das dauern? Und wie viel an Manneskraft und Finanzen kosten? Was wenn die Armee dann längst die Elfengebiete eingenommen hat? Und wenn wir den Fluss erweitern, machen wir es ihnen genauso leicht, vom See zum Loney zu gelangen, wie uns zum See..." sie massierte sich die Nasenwurzel.