"Gerne", sagte Lor und versuchte das Zittern zu unterdrücken, dass ihn bei der Erinnerung an den Blick des Todes übermannt hatte. Wenn der Assassine es gesehen hatte, konnte er es auch als Auswirkung des kalten Windes deuten, der durch die Gassen streifte.

Lor erzählte ihm seinen Traum so detailliert wie möglich. Er beschrieb die Leichen am Boden, wie genau er sie gesehen hatte, die Bäche von Blut und den roten Himmel mit den Raben, die krächzend ihre Kreise zogen. Er erzählte auch vom Tod, wie er ihn angesehen hatte und die Welt explodiert war. Aber was er nicht beschreiben konnte, war der Blick des Todes. Dafür hatte er keine Worte.
"Ich fragte mich, ob dieser Traum etwas bedeuten sollte", schloss er. "Er lässt mir keine Ruhe, denn ich... ich habe das Gefühl, dass... die Augen des Todes waren so anders als alles, was ich jemals gesehen habe, dass ich mir nicht vorstellen kann, wie dieses Bild aus meinem Kopf kommen soll. Ich hoffte, ihr könntet mir sagen, was ich gesehen habe."
Unbeabsichtigt hatte er bei den letzten Worten Haltung angenommen, als stünde er vor einem Vorgesetzten. So als wolle er hinter der militärischen Steifheit seine Angst verbergen.

"Ich weiss nicht", meinte Lor. "Es ist... schwer..."
Er verstummte und dachte eine Weile nach. Dann sagte er: "Seine Augen waren dunkel, sehr dunkel. Aber dahinter war etwas anderes. Es war als... als blicke man durch schwarz gefärbten Glas auf Feuer. Nein, eher auf Glut. Ich sah keine Flammen in dem Sinn, die Augen waren ganz Schwarz, aber es war, als würde... diese Schwärze brennen. Ich weiss nicht, vom Tod erwartet man normalerweise, dass seine Augen leer sind, nicht war? Aber diese Augen waren nicht leer. Sie waren gefüllt mit mehr Leben als die von jedem Lebenden. Als würde der Tod alles gleichzeitig spüren, Liebe, Hass, Glück, Wut, Trauer, Schmerz. Und als würde er alles gleichzeitig sehen, die Seele und die Gedanken jedes lebenden Wesens und vielleicht auch die der Toten."
Er sah den Alchemisten an. Ihm war bewusst, dass seine Beschreibung sehr seltsam klang, aber besser konnte er es nicht.

Lor versuchte sich zu erinnern. "Als er sich zu mir umdrehte, spürte ich, dass irgendetwas schreckliches geschehen würde, in dem Moment, in dem er mich ansieht. Ich weiss nicht, kennt Ihr das Gefühl, wenn die Zeit plötzlich still zu stehen scheint, weil man genau weiss, was passiert? Ich... ich hatte Angst, aber ich konnte es nicht verhindern.
In dem Moment, als er mich ansah, da wusste ich, es ist zu spät. Nur das, nicht mehr. Keine Angst, kein Bedauern. Nur das es zu spät ist. Ich... ich..." Das was er im Begriff war zu sagen, klang so verrückt, dass er an sich selbst zweifelte. Aber es stimmte. "Ich tat mir selbst leid. Aber vor allem tat er mir leid. Weil ich wusste, dass alles zuende sein würde, die Welt in Stücke gerissen. Und er würde es mit ansehen müssen."

Lor schüttelte den Kopf. "Es waren irgendwelche Kämpfer. Ich habe ihre Gesichter nicht gesehen. Manche von ihnen waren Soldaten, andere Söldner. Sie waren so viele, dass jeder einzelne unbedeutend war in der Masse."