Maeva fühlte sich eingesperrt. Ihr Cousin liess sie nicht mehr aus dem Palast raus und an jeder Ecke, in jedem Zimmer befand sich wie durch Zufall eine Magd, ein Diener, eine Wache oder ein Soldat, wenn sie es betrat. Maeva schnaubte und setzte sich mitten auf den Gang. Aus Protest. Behandelte man sie wie ein Kind, würde sie sich auch wie ein störrisches verhalten. Eine Magd versuchte sie zu bitten den Weg frei zu machen, doch das Mädchen weigerte sich. Die Frau versuchte sie zum Aufstehen zu bewegen, musste sich aber zurückziehen, als die Spitze eines Rapiers vor ihrem Kehlkopf schwebte. "Ruf doch den König, wenn es dich stört", hatte Maeva geknurrt und sass seitdem stur auf ihrem Platz, mitten auf dem Flur. Niemand wagte es sie anzurühren und so gingen alle sich kurz vor ihr verneigend - man wollte es sich ja nicht mit der zukünftigen Regentin wegen ein paar Floskeln mehr oder weniger verscherzen -an ihr vorbei.
Auch rief niemand den König. Maeva lächelte in sich hinein. Auch all die Gouvernanten hielten sich zurück, da sie nicht mit aufgeschlitzter Kehle enden wollten
Seit Maevas kleinem Ausflug in die Welt ausserhalb der schützenden Mauern Loneys sah man sie mit anderen Augen. Man betrachtete sie als Halbwilde, gefährlich und unberechenbar. Vorallem wenn sie eine Waffe bei sich hatte und sich die Mühe machte sie zu ziehen.
Man fürchtete sie schlicht. Doch das war gut, denn man musste als Herrscher zu einem gewissen Grad gefürchtet werden. Und Furcht und Respekt waren schwerer zu verdienen, als Liebe und Sympathie. Um diese vom Volk zu erhalten, würde sie sich nach und nach kümmern.

Als Ainbheartach das Mädchen mitten im Gang erblickte musste er grinsen. Sie schien auch keinen guten Tag zu haben. Hiran war nicht wach gewesen als er den Trainingsplatz verlassen hatte, aber das war ihm auch ziemlich gleich. "'nabend, Herrin.", grüsste er Maeva und trank einen Schluck aus einem Weinschlauch, den er unterwegs ergattert hatte. Eleanor war nicht zu finden gewesen. Der Tag war wirklich nicht einer der besten. Er würde den Wein vielleicht noch brauchen, aber viel lieber hätte er ein Bier oder noch besser, Met! Wahrscheinlich würden sie ihn aus der Wache schmeissen, nachdem er Hiran so verprügelt hatte. "Trinkt einen Schluck. Mir hilft das, wenn ich einen schlechten Tag hatte.", sagte Ainbheartach zu Maeva. Er liess den Weinschlauch vor ihr auf den Boden fallen und ging dann weiter. Er würde Madog aufsuchen, sich dann mit ihm betrinken und darauf hoffen, dass Hiran die Klappe hielt.

Maeva sah dem Nordmann mit gehobener Braue nach. Erwartete er wirklich, dass sie davon trank. Sie hob den Schlauch an. Musterte ihn und stand dann seufzend auf, dem Mann nachlaufend. "Hey! Ihr! Wie nennt man euch?", fragte sie laut, als sie ihn fast erreicht hatte.

"Ich heisse Ainbheartach, doch nennt mich einfachheitshalber Ain, das tun alle.", erwiderte er und blieb stehen, dann blickte er sich um, um sicher zu gehen, dass keine königlichen Wachen in der Nähe waren. Es waren keine da, aber da sie im Palast waren konnte sich dies schnell ändern.

"Ain?", fragte sie und musterte ihn. "Heradach passt besser finde ich", meinte sie dann Schulterzuckend. "Das heißt gross und stämmig... Wieso seid ihr so nervös?"
Sie merkte, wie er sich vorsichtig umsah. Hatte er was verbrochen? Wenn ja wäre es nicht schlimm... Sie grinste fast, als ihr ein Gedanke kam.

"Ihr erinnert euch vielleicht noch an diesen Typen aus der königlichen Wache, den ich mit dem Messer bedroht habe? Der wollte sich heute an mir rächen. Er duellierte sich mit mir und als ich merkte, dass er besser war als ich, entschied ich mich alle Regeln des ritterlichen Zweikampfes zu vergessen und ihm ein paar aufs Maul zu hauen.", fasste er das Geschehen kurz zusamen. "Ihr könnt mich nennen wie ihr wollt. Übrigens, wenn ihr den Wein nicht wollt, nehme ich ihn gern zurück."

Sie hielt ihm den Schlauch hin. "Ihr seid kei Ritter", meinte sie dann. "Also sollte man auch nicht erwarten, dass ihr euch wie einer verhaltet... Wieso seid ihr eigentlich nach Loney gekommen? Ich meine ihr seid ei Nordmann... Auf dem Weg hierher seid ihr sicherlich durch andere Städte gereist... Wieso habt ihr euch für Loney entschieden?",

"Loney soll eine reiche Stadt sein. Daher dachte ich mir ich könnte mal hier arbeit suchen.", erwiderte er ausweichend und nahm den Schlauch entgegen. Er nahm einen tiefen Zug und verschloss ihn dann wieder. "Was habt ihr da eigentlich im Gang gemacht?"

"Protestiert", antwortete sie knapp. Sie überlegte. "Wenn ihr wollt stelle ich euch als persönliche Wache ein", sagte sie dann. "Ihr müsst nicht jetzt antworten. Könnt es euch überlegen... Ah und die Altstadt und die Alte Mauer, den Teil der in Ruinen steht... Die ist frei von königlichen Wachen."
Sie nickte ihm zu und machte am Absatz Kehrt.

"Gut zu wissen." Er nickte ihr noch zu, bevor sie sich umdrehte und suchte sich dann einen Weg hinaus. Mittlerweile wusste er nicht mehr ob es eine solch gute Idee war für diese Prinzessin zu arbeiten. Er hatte schon Streit mit den königlichen Wachen und wenn er dauernd an ihrer Seite war, würde es noch mehr Spannungen geben. Nun er würde sich morgen mehr Gedanken darüber machen. Jetzt galt es Madog beim Schiessstand abzuholen und dann würde er sich betrinken, bis er nicht mehr stehen konnte.